Was sind Wildstauden?

Wiesenraute mit Trauerrosenkäfer

In der Wikipedia wird man den Begriff „Wildstaude“ nicht finden, da es sich strenggenommen um keine wissenschaftliche Bezeichnung für eine Pflanze handelt. Man spricht von Arten, aber dieser Begriff ist ebenfalls längst umstritten, da dieser über die reproduktive Barriere definiert wird. Kreuzungen (Hybridisierung) und horizontaler Gentransfer stellen aber die Taxonomie längst auf den Kopf (Stichwort Kladistik). So lässt sich „Wildstaude“ zwar nicht mit den Begriffen der Biologie definieren, aber man kann trotzdem eine Definition versuchen. 

Eine Wildstaude ist eine von der Natur geschaffene Pflanze, die sich im Laufe der Evolution entwickelt hat und sich unter natürlichen Bedingungen durchgesetzt und reproduziert hat. Viele Gartenpflanzen sind in der Natur entstanden und wurden vom Menschen wegen ihres Aussehens oder aus medizinischen bzw. kulinarischen Gründen in Gärten geholt. Da Pflanzen genauso wenig wie Menschen genetisch identisch sind und die Evolution nicht still steht, kommt es zu unterschiedlichen Formen bei den Arten. Dies kann an Standortanpassung liegen oder einfach eine Mutation sein. Größere Blätter oder Blüten, aber auch eine andere Blütenfarbe. Pflanzensammler und Gärtner haben diese gesammelt, vermehrt und ihnen Sortennamen gegeben. Wildpflanzen sind es trotzdem noch. Allerdings haben viele dieser Pflanzen nur durch den Menschen überlebt. Unter den Bedingungen eines Naturstandorts hätten weder panaschierte Pflanzen noch solche mit gefüllten Blüten eine Chance. Im einen Fall ist die Photosynthese eingeschränkt, im anderen die Reproduzierfähigkeit. So sind Wildstauden Stauden, die in der Natur entstanden sind und sich unter natürlichen Bedingungen ohne Hilfe des Menschen reproduzieren und durchsetzen können. Wildstauden sind kein Unkraut, auch wenn dies oft verwechselt wird. Sehr, sehr viele unserer Gartenstauden sind Wildstauden, auch wenn sie teilweise Sortennamen haben. Und auch wenn sie von anderen Kontinenten stammen und oben genannte Bedingungen erfüllt werden, sind sie Wildstauden, z.B. Echinacea pallid

Also:
Wildstauden sind samenfest, reproduzieren sich ohne Hilfe des Menschen, müssen nicht einheimisch sein und viele unserer bekannten Gartenpflanzen sind Wildstauden.

Wildstauden können in jedem Gartenstil eingesetzt werden. Meistens ist es den Menschen nur nicht bewusst, dass es sich um eine Wildstaude handelt. Sie sind oft robuster, weniger anfällig für Krankheiten oder Schädlinge als Zuchtpflanzen. Vor allem, wenn sie sich einfach im Garten aussäen dürfen und so ihren Standort sich selbst aussuchen, bilden sie vom Sämling an ihr Mikrobiom aus. Die Symbiose mit Pilzen und Bakterien schützt die Pflanze vor pilzlichen und bakteriellen Erkrankungen, sowie Schädlingen. Außerdem ist die Nährstoffversorgung erheblich besser, wenn sich von Anfang an die arbuskuläre Mykorrhiza ausbilden kann. Da sie sich über Samen vermehren können und dies nicht über Stecklinge, Wurzelausläufer oder per Meristemvermehrung erfolgen muss, wie es bei so vielen Zuchtpflanzen der Fall ist, sind die Nachkommen nicht genetisch identisch. Dies ist von Vorteil, da sie sich so besser an sich verändernde Bedingungen anpassen können. Außerdem wird dadurch auch die Biodiversität erhöht, in deren Definition die genetische Vielfalt enthalten ist. Gärtnern mit Wildstauden eröffnet aber auch neue Möglichkeiten, die mit Zuchtpflanzen nicht realisiert werden könnten. Stichwort Black Box Gardening. Für das Gärtnern mit Wildstauden passt am besten eine Aussage von Beth Chatto:
Using plants adapted by nature to thrive in different conditions: right plant, right place

Bei den folgenden bekannten Gartenpflanzen handelt sich um Wildstauden. Viele kann man allerdings kaum noch so einfach in der Natur finden.

Bistorta officinalis

©2024 Cynthia Nagel 
Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis) 

Thalictrum aquilegiifolium

©2024 Cynthia Nagel 
Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegiifolium

Lamium maculatum

©2024 Cynthia Nagel 
Purpur-Taubnessel (Lamium maculatum) vor Nachtviolen (Hesperis matronalis

Stachys byzantina

©2024 Cynthia Nagel 
Wollziest (Stachys byzantina) vor Sternkugellauch (Allium christophii)

Trifolium rubens

©2024 Cynthia Nagel 
Purpur-Klee (Trifolium rubens

Helictrotrichon sempervirens

©2024 Cynthia Nagel 
Blaustrahlhafer (Helictrotrichon sempervirens) mit Goldwolfsmilch (Euphorbia polychroma), im Hintergrund Thymian (wahrscheinlich Thymus doerfleri