Die Bemühungen der Taglilienzüchter haben, besonders in den letzten zwei Jahrzehnten, eine Fülle neuer, spektakulär weiterentwickelter Kulturformen hervorgebracht. Dabei hat auch die Erzeugung tetraploider Taglilien, die statt der normalen zwei Chromosomensätze vier Sätze im Zellkern haben, eine wichtige Rolle gespielt. Ende 2000 waren 48538 Namenssorten von Taglilien international registriert, mit einem jährlichen Zuwachs von ca. 1500 Sorten.
Um die Situation übersichtlicher zu gestalten, erscheint es deshalb sinnvoll, hier die wesentlichen Eigenschaften der modernen Sorten in ihren zahlreichen Ausprägungen zu beschreiben.
Farbspektrum und Farbmuster der Blüten
Taglilien sind heute in allen Blütenfarben außer reinem Blau vorhanden. Obwohl die Wildarten Blütenfarbstoffe nur im gelben bis matt-roten Farbbereich anbieten, haben die Züchter in nur relativ wenigen Generationen der Selektionszüchtung fast weiße, fast schwarze, rein lila, leuchtend rote und zartrosa Taglilienblüten hervorgebracht. Auch bei den Blautönen zeichnen sich erste Fortschritte ab. Damit erreichen Taglilien eine Farbvariabilität, die ansonsten vielleicht nur von Dahlien- und bestimmten Primula elatior-Kulturformen erreicht wird.
Bei den klassischen Hellgelb-, Goldgelb- und Orangetönen haben sich die Farbintensitäten merklich vergrößert. Die unter Taglilienfreunden als melonenfarbig bezeichneten Blüten haben nicht die Farbe von Wassermelonen, sondern die von Cantaloupe-Melonen, eine Farbe, die als Rosa-Orange bezeichnet werde könnte.
Neben den einfarbigen Blüten gibt es noch eine große, schwer zu beschreibende Gruppe von Sorten mit Zwischenfarben und Farbübergängen in einer Blüte.
Auch Bicolor-Sorten mit unterschiedlicher Farbe der Petalen und Sepalen sind vorhanden, wobei die Sepalen meist heller sind. Ein hellerer Schlundring wird als Watermark oder Wasserzeichen bezeichnet und kann zu interessanten Farbwirkungen führen.
Die bei einigen Formen der Wildart Hemerocallis fulva und frühen Kulturformen sichtbaren zarten, dunkleren Ringe haben an Schärfe des Kontrasts enorm zugenommen. Wenn sich die dunklere Zone bis in die Tiefe des Blütenschlundes erstreckt, spricht man von Augen. Neben den Augen haben sich, besonders in den letzten Jahren, Farbmuster wie dunklere und hellere Randzeichnungen der Blüten und variable Schlundfarben verschiedener Ausdehnung entwickelt.
Eine andere Art der Farbverteilung sind Muster, die englisch als Pattern bezeichnet werden, und die erst in den letzten Jahren in deutlich ausgeprägter Form aufgetreten sind. Diese Muster erstrecken sich vorwiegend auf die Augen und Blütenblattränder.
Als züchterisch besonders schwierige Farben gelten noch immer die reinen Blau-, Violett- und Rosa-Töne. Auch die immer bessere Annäherung an reines Weiß wird die Züchter noch länger beschäftigen.
Von den Blütenfarben zu unterscheiden sind Oberflächentexturen. So können insbesondere rote Taglilien eine samtartige Oberflächenstruktur haben oder eher taft-artig glänzend sein. Gelegentlich tritt, in Abhängigkeit von den Zellgrößen der Oberflächenschichten, auch ein Glitzern wie von ausgestreutem Diamantstaub auf. Derartige Oberflächenstrukturen tragen in vielen Fällen zum besonderen Reiz von Taglilienblüten bei. Sie können bei regnerischem Wetter aber auch Nachteile haben. So sind die samtartigen Oberflächen gegen Regen sehr empfindlich, während die glatten, taftartigen Oberflächen von Regen kaum geschädigt werden.
Nachfolgend finden Sie zu den oben hervorgehobenen Farbklassen jeweils Bildergalerien von entsprechenden Sorten. Wir danken den Züchtern Benz, Gossard, Moldovan (), Petit und Stamile () für die Erlaubnis, zu Demonstrationszwecken einige Bilder aus ihren Homepages entnehmen zu dürfen. Die Sorten mit Registrierungsdaten aus den letzten Jahren sind naturgemäß noch sehr teuer. Ihre Bilder sind hier vorwiegend wiedergegeben, um den Fortschritt der Züchtung darzustellen. Kulturerfahrungen mit diesen Sorten unter mitteleuropäischen Bedingungen liegen nur vereinzelt vor.
Ein wichtiges Problem im Zusammenhang mit dem Farbspektrum der Kulturformen ist die Abhängigkeit der Farbentwicklung von der Temperatur und der Wasserversorgung. Nahezu alle Taglilien entwickeln ihre Farben nach tropisch warmen Nächten (niedrigste Nachttemperatur 20 Grad) optimal. Wenn dann noch ein schwül-warmer Tag ohne Regen, aber mit bedecktem Himmel folgt, zeigen alle Tagliliensorten, was unter besten Bedingungen farblich in ihnen steckt. Derartige Wetterkonstellationen, wie sie in den tropischen Teilen der USA normal sind, beobachten wir in Mitteleuropa nur selten. Es geschieht nach unseren meist kühlen Nächten sehr oft, dass bei uns gepflanzte Sorten mit ihren Blüten den prächtigen Katalogbildern aus ihrer Heimat Florida farblich nicht entsprechen. Dies drückt sich in der Farbintensität und in der Größe von Augen und der Breite von Rändern aus. Eigene europäische Züchtungsbemühungen sind deshalb gerade auf diesem Gebiet erforderlich.