Text: Johannes Betz, Augsburg
Der Artikel ist ein Auszug aus einer Vortragsserie über diese Pflanzenfamilie. Kontakt zum Autor: betz.johannes [at] t-online.de
Zu den abgebildeten Orchideen finden sich am Ende des Artikels nähere Informationen.
Diuris magnifica - ihre großen Blüten sind nach einem Buschfeuer weithin sichtbar.
© 2014 Johannes Betz
Orchideen kommen in allen Teilen der Erde mit Ausnahme der arktischen Regionen und der Wüsten vor. Darunter sind auch Standorte mit extremen Witterungsverhältnissen, wie sie zum Beispiel in Westaustralien oder im südöstlichen Teil Australiens vorherrschen. Nach Angaben von D.L. Jones, einem der besten Kenner der australischen Orchideenflora, finden sich in diesen unwirtlichen Regionen sehr viele der ca. 1.300 Arten, die es in Australien gibt.
Corysanthes diemenicus - der Lebensraum sind feuchte, offene Waldflächen.
© 2014 Johannes Betz
Sommerliche Hitze
Wie schaffen es diese Orchideen, sommerlicher Gluthitze zu widerstehen? Die Überlebensstrategie besteht darin, dass sie sich zu Sommeranfang in den Untergrund zurückziehen. Über 80% der australischen Orchideen bilden Knollen, die die heiße und trockene Jahreszeit im Boden überdauern. Dieses Stadium ist mit seiner geringen Oberfläche bestens gegen Austrocknung gefeit. Wenn es dann im Herbst etwas kühler wird und auch die Feuchtigkeit zunimmt, beginnen die Knollen wieder zum Leben zu erwachen.
Im Winter und dem zeitigen Frühjahr sind an den Standorten sogar kühle Nachttemperaturen nahe dem Gefrierpunkt zu erwarten. In diesem Zeitraum sind meist auch hohe Niederschlagsmengen nicht selten.
Diplodium coccineum Sein Verbreitungsgebiet ist der Südosten von Australien.
© 2014 Johannes Betz
Buschbrände
Wenn der regenarme Sommer erneut Einzug hält, wird es sehr trocken. Die Bodentemperatur kann bis auf über 40 °C ansteigen. Auch natürliche Buschbrände durch Blitzschlag sind in dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Diese Brände tragen vor allem zu einem blütenreichen Frühling bei, da hierbei viele wachstumsfördernde Substanzen in für Pflanzen leicht aufnehmbarer Form entstehen. Sie müssen nicht erst in langwierigen Fäulnisprozessen freigesetzt werden, Zudem sind die neuen Austriebe nicht von umgebendem Buschwerk beengt und haben für ihre Entwicklung genügend Licht und Platz.
Thelymitra nuda - australische Orchideen bevorzugen offenes Waldgelände und Buschland.
© 2014 Johannes Betz
Verschiedene Standorte
Orchideenarten, die in den Eucalyptuswäldern vorkommen, bekommen genügend Sonnenlicht, da die Blattspreiten des Eucalyptuslaubes nicht der Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, um einen optimalen Verdunstungsschutz zu erreichen. Man spricht hier auch von den schattenlosen Wäldern.
Andere, wiederum schattenliebende Arten fühlen sich in der mit mehr oder weniger hohen Sträuchern bedeckten Landschaft wohl, die der Australier als "Mallee" bezeichnet.
Die in den Rock out Rocks vorkommenden Orchideen wachsen in den Mulden großer Granitfelsen, die in Jahrmillionen durch Auswaschung entstanden sind und sich mittlerweile mit organischem Material, vor allem Humus und Moos, angereichert haben. Diese Gesteinsformation kann riesige Flächen einnehmen und besteht aus Urgestein. Als Resultat ergibt sich ein niederer pH-Wert unter 7,0 sowie eine gewisse Nährstoffarmut, die ohnehin in allen Böden Australiens vorherrscht.
Auffallend ist, dass diese Orchideen oftmals Pflanzengesellschaften mit den ebenfalls in Australien beheimateten Stylidien (Triggerplants) sowie Carnivoren (insektenfressende Pflanzen) bilden. Daraus ergeben sich für die Kultur dieser Pflanzengruppen wesentliche Gemeinsamkeiten.
Myrmechila truncata - mit Insektenatrtappe auf der Lippe.
© 2014 Johannes Betz
Kultursubstrate
Als Kultursubstrat hat sich eine Mischung aus Weisstorf und Perlite als Wasserspeicher sowie etwas Tongranulat als Kaliumquelle bewährt. Kalium ist ein wichtiger Nährstoff für alle Knollen- und Zwiebelpflanzen. Vulkastrat (Lava + Zeolith + gewaschener Bims) und grober Quarzsand tragen zu einem guten Lufthaushalt des Substrates bei. Zudem sorgt Vulkastrat für eine zusätzliche Versorgung mit den Hauptnährstoffen Stickstoff und Phosphor sowie lebenswichtigen Spurenelementen, wie z.B. Eisen und Mangan.
Je nach Pflanzenart werden die Knollen im Abstand von ein bis zu drei Jahren in neues Substrat umgelegt. Der beste Zeitpunkt hierzu ist der Sommer. Meist ist dies der Monat August, da jetzt der Austrieb der Knollen gerade sichtbar wird. Um die Pilzanreicherung (Mykorrhiza) zu unterstützen, mischt man etwas altes Substrat dem neuen bei.
Pterostylis baptistii bevorzugt feuchtes Gelände in Heide- und Buschland.
© 2014 Johannes Betz
Pflanzgefäße und Beleuchtung
Als Kulturgefäße haben sich höhere Töpfe bewährt. Ich bevorzuge Kunststofftöpfe mit 10 cm Durchmesser, die 10 cm hoch sind. Hier haben die Knollen die Möglichkeit, sich mit eigener Kraft tief ins Substrat zu ziehen und auf diese Weise auch gut zu entwickeln. Ich verwende immer Töpfe gleicher Höhe. Auch bei anderen Topfdurchmessern halte ich die Topfhöhe von 10 cm ein, um eine möglichst gleichmäßige Lichteinstrahlung auf den Pflanzentischen in meinen Gewächshäusern zu erzielen. Auf eine Zusatzbelichtung wurde bisher verzichtet, da die natürliche Lichteinstrahlung in den Wintermonaten völlig ausreichend ist.
Außerdem ist auf eine sorgfältige Etikettierung zu achten, da sich die Knollen der Arten einer Gattung schlecht unterscheiden lassen.
Thelymitra antennifera ist eine der wenigen duftenden Orchideen.
© 2014 Johannes Betz
Temperatur und Luftfeuchtigkeit
Während der Wachstumsphase reichen Temperaturen von 5 °C bis 15 °C im Gewächshaus aus. Tagsüber, bei entsprechender Sonneneinstrahlung, werden durchaus auch weit über 20 °C vertragen. Eine Luftumwälzung ist für ein gesundes Mikroklima unumgänglich. Eine ständige Luftbewegung ist nach eigenen Beobachtungen auch am Naturstandort vorherrschend. Sie verhindert, dass durch stagnierende Luftfeuchtigkeit Pilzerkrankungen, wie zum Beispiel Botrytis oder anderer Blattpilzbefall, auftreten. Sollten weitere Pflanzenschutzmaßnahmen, etwa bei Lausbefall oder Raupenfraß, notwendig werden, können handelsübliche Pflanzenschutzmittel Verwendung finden. Bereits bekannte, für Orchideen erprobte, unschädliche Wirkstoffe sollten dabei zum Einsatz kommen.
Einzelnen Gattungen und Arten
Pterostylis ist in Australien eine sehr weit verbreitete Gattung, die vor einigen Jahren in mehrere neue Gattungen aufgegliedert wurde.
Diplodium unterscheidet sich deutlich von Pterostylis, da der Blütentrieb direkt aus dem Boden entspringt und nicht, wie bei Pterostylis, zuerst eine Blattrosette gebildet wird. Ein weiteres, sicheres Erkennungsmerkmal besteht darin, dass bei Diplodium im Gegensatz zu Pterostylis die lateralen Sepalen den dorsalen Sepalen anliegen.
Sehr viele Diplodium- und Pterostylis-Arten sind leicht zu kultivieren und vermehren sich durch Tochterknollen sehr gut.
Stamnorchis recurva zählte früher zur Gattung Pterostylis. Diese Art wurde wegen der unterschiedlichen Merkmale blühender und nichtblühender Pflanzen einer eigenen Gattung zugeordnet. Zudem sind bei Stamnorchis die lateralen Sepalen sehr stark zurückgebogen, was ihr ein krugähnliches Aussehen verleiht. Sie ist in Westaustralien in Wäldern und Buschland auf gut drainierten Böden weit verbreitet. Sie kann an einem Blütentrieb ein bis vier Blüten bilden. In Kultur gilt sie allerdings als sehr schwierig.
Stamnorchis recurva stellt bei guter Drainage keine besonderen Bodenansprüche.
© 2014 Johannes Betz
Acianthus pusillus ist eine weit verbreitete Art in Queensland, New South Wales, Victoria und Tasmanien. Aus der Basis der ca. 1-3 cm großen, herzförmigen Blätter, die auf der Unterseite rot gefärbt sind, entspringen an 3-6 cm langen Blütenstängeln bis zu sechs Einzelblüten. Auch sie vermehren sich über Tochterknollen problemlos und bilden sehenswerte Kolonien.
Myrmechila truncata, M. trapeziformis und M. platyptera haben 5–6 cm lange und 1–1,5 cm breite, gegenständige Blätter, aus deren Mitte der Blütenstängel entspringt. Der Kallus auf jeder Einzelblüte imitiert den Körper einer weiblichen Wespe, um so Männchen zur Bestäubung der Blüte anzulocken. Myrmechila hieß vormals Chiloglottis. Chiloglottis truncata ist also heute ein Synonymname.
Thelymitra ist mit ihren über 100 Arten eine sehr große und sehr komplexe Gattung, die in den letzten Jahren in 16 verschiedene Gruppen aufgespalten wurde. Als Hauptunterscheidungsmerkmale dienen der Antherenfortsatz sowie dessen Haarfortsatz.
Die Pflanzen machen ihren Namen 'Sunorchid' alle Ehren, denn sie öffnen sich nur bei genügend Licht und Wärme. So kann es vorkommen, dass sich eine Knospe bei schlechten Witterungsverhältnissen nie öffnet. Auffallend ist auch das Fehlen des bei Orchideen typischen Labellum, der Lippe. Es ist zu einem ganz normalen Blütenblatt, einer Petale umgewandelt.
Außer in Australien kommen weitere Thelymitra-Arten in Neuseeland, Neuguinea, Indonesien und den Philippinen vor.
Diuris - Arten mit ihrem grasähnlichen Laub sind ebenfalls eine weit verbreitete Gattung in Australien. 65 Arten wurden bisher beschrieben, doch es gibt auch noch einige Namenlose unter ihnen. Viele bilden große Horste und nur einige, wenige Arten sind als Einzelpflanzen bekannt. Die langgezogenen Knollen von Diuris sehen eher Wurzelstückchen (Rhizomen) ähnlich. Mit ihren meist hochgezogenen, dorsalen Petalen, die wie Eselohren aussehen, machen sie ihrem Namen 'Donkey Orchids' alle Ehre.
Corysanthes ist heute eine eigene Gattung. Sie war früher der Gattung Corybas zugeordnet. Von den Corysanthes gibt es 15 Arten, die alle in Australien endemisch sind, also nur dort vorkommen. Sie bilden oft große Horste. Ihre Bestäubung erfolgt meist durch Pilzmücken. Die Kultur in Töpfen ist unproblematisch.