Seit längerer Zeit verfolge ich die Ankündigungen in der „Gartenpraxis“ über die jährlich stattfindenden Seminare in der Bildungsstätte Gartenbau Grünberg zu den unterschiedlichsten Gartenthemen. Sie werden gleichermaßen angeboten für einschlägige Berufsgruppen als auch für interessierte Laien. Ich gehöre zu Letzteren, gleichwohl versprach das Thema interessante Inhalte, ausnahmslos vorgetragen von exzellenten Referenten. Ich meldete mich also an nicht ohne gewisse Bedenken, ob ich der Sache denn auch gewachsen wäre. Diese Zweifel zerstreuten sich jedoch bereits während der Begrüßung der Teilnehmer durch den Chefredakteur der GP, Jonas Reif, der kompetent und humorvoll durch das gesamte weitere Programm führte.
Großartige Gräser – dieses Thema wurde in den letzten Jahren mehr und mehr bestimmend sowohl für naturnahe als auch für architektonische Pflanzenverwendung. Das Sortiment der kultivierten Arten hat sich in kürzester Zeit vervielfacht. Das Seminar gab deshalb einen Überblick über das heutige Gräsersortiment und zeigte Gestaltungspotentiale auf, die in ihm steckt. Es wurden so ziemlich alle Gattungen vorgestellt und angesprochen einschließlich ihrer unzähligen Arten und Auslesen bzw. Sorten.
Der erste Beitrag befasste sich mit gestalterischen Verwendungsmöglichkeiten von Gräsern. Referent war Prof. Cassian Schmidt. Er ging insbesondere noch einmal auf die zunehmende Sortimentsvielfalt ein, was besonders augenfällig ist bei den Gattungen Panicum, Pennisetum, Hakonechloa, aber auch wieder verstärkt bei Miscanthus. Diese Tatsache birgt jedoch auch Risiken. Nicht alles was neu ist, ist auch zwangsläufig gut. Zudem liegen oftmals keine gesicherten Erfahrungen über Gartenwert und Winterhärte vor. Deshalb wird sich die Staudensichtung dieses Themas wohl verstärkt annehmen, die Spreu vom Weizen trennen. Ebenfalls neue Sortimente kamen mit dem Boom der Präriestaudenverwendung. Damit erfolgte eine Überleitung zum Wachstumsrhythmus der Gräser, die diesbezüglich in zwei Gruppen eingeteilt werden: Früh grünende Cool-Season-Gräser (C-3-Gräser) und spät grünende Warm-Season-Gräser (C-4-Gräser). Erstere treiben früh aus, sind oftmals wintergrün, blühen früh und stellen ihr Wachstum während der warmen Jahreszeit ein. Solche Gräser können gut im Herbst gepflanzt werden, da sie dann noch Wurzeln bilden und deshalb anwachsen. Gräser der zweiten Gruppe treiben sehr spät aus, sind in unseren Breiten niemals wintergrün, wachsen und blühen nur in der warmen Jahreszeit und warten mit einer oftmals spektakulären Herbstfärbung auf. Diese Gräser benötigen in der Hauptwachstumszeit (später Frühling bis Hochsommer) ausreichend Bewässerung. Sie sind sehr wärmebedürftig und sollten ausschließlich im späten Frühjahr bei guter Bodenerwärmung gepflanzt werden.
Anschließend ging Prof. Schmidt auf die ästhetischen Funktionen der Gräser in verschiedenen Pflanzungen ein. Besonders wurde die lang anhaltende und meist strukturstabile Funktion als Gerüstbildner hervorgehoben. Durch ihre vertikale Ausrichtung unterstützen sie die Raumbildung und gliedern bei wiederholter Verwendung eine Pflanzung rhythmisch. Aber auch die Kontraste zu den Blattformen der Stauden sind unverzichtbares Gestaltungselement (Harfe-Pauke-Effekt). Nicht zuletzt sind die filigranen Grannen der Gräser besondere Lichtfänger, und besonders in der kalten Jahreszeit zeichnen Tau bzw. Raureif zauberhafte Bilder. Als weiteres Gestaltungselement sollten die unterschiedlichen Laubfärbungen nicht unterschätzt werden. So hellen gelbliches Laub oder panaschierte Formen beschattete Bereiche auf. Herbstfärbungen, besonders der Präriegräser, können dramatische Farbakzente setzen. In Verbindung mit nordamerikanischen Korbblütlern lassen sich so wunderbare Assoziationen an die Prärie wecken; man sollte jedoch größere Stückzahlen ins Auge fassen, um solche Effekte zu erzielen.
Einmal mehr wurde das wunderbare Herbstkopfgras Sesleria autumnalis hervorgehoben. Es ist langlebig, trockenheitstolerant, als Matrixgras bestens geeignet und durch seine gelbgrüne Blattfärbung vielseitig mit vielen anderen, vorzugsweise trockenheitsverträglichen Stauden zu kombinieren.
Der zweite Tag war vorrangig der Vorstellung einzelner Gräsergattungen gewidmet. Los ging‘s mit „Cortaderia und Co.“, Referent Sven Nürnberger. Es wurde hauptsächlich sein Beitrag, veröffentlicht in der GP 10/15, als Grundlage verwendet und um etliche Anmerkungen erweitert. Für mich persönlich ist die wärmeliebende Südamerikanerin kein Thema, obwohl ich zugeben muss, dass die imposanten Riesen, richtig in Szene gesetzt, durchaus faszinieren können. Neben der allseits bekannten Cortaderia selloana wurde Cortaderia araucana besonders hervorgehoben, da sie frostfester, früher blühend und besonders die weiblichen Exemplare schöner sein sollen. Ausgesprochen schön sei C. ‚Sunningdale Silver‘ im Garten von Peter Janke. Das entsprechende Foto ist in vielen Veröffentlichungen zu bestaunen. Für alle aber gilt: Sie benötigen Winterschutz, Sommmerfeuchte und bieten m. E. nur in größeren Anlagen ansprechende Bilder.
Der nächste Beitrag befasste sich mit der Vorstellung der Staude des Jahres 2015 – CAREX. Till Hofmann gliederte seinen Beitrag vornehmlich nach Standorten, um so die riesige Gattung übersichtlich darzustellen. Stark vertreten ist der Lebensbereich Gehölz/Gehölzrand, da die Mehrzahl aller Arten und Sorten eigentlich Nischenbewohner sind, Schatten und feuchte Bereiche lieben. Es gibt jedoch auch Arten für die Felssteppe, Steppenheide, Steinanlagen und Heide. Alle Arten und Sorten wurden mit Bild vorgestellt und ergänzende Kommentare bzw. Pflanzvorschläge gemacht. So erhielt man eine umfassende Übersicht über die Sauergräser, ihre Ansprüche und ihr Wuchsverhalten. Der Rat vom Fachmann lautet: lieber auf horstwüchsige Arten und Sorten zurückgreifen, wenn man sich nicht sicher über das Konkurrenzverhalten ist.
Danach wurde uns eine dreiseitige Liste der Carex-Arten Neuseelands näher gebracht. Referentin war Anne Humbug, die längere Zeit an verschiedenen Naturstandorten verbrachte und die Arten vor Ort studierte, aber auch über Erfahrungen aus dem heimischen Garten berichtete. Um es grob auszudrücken: es sind allesamt heikle Pfleglinge und erfüllen nach meinem Dafürhalten in unseren Breiten nie und nimmer die Ansprüche, die von Aufnahmen natürlicher Standorte suggeriert werden. Sie sind – betrachtet man die riesige Auswahl geeigneterer Gattungen – für eine ansprechende Gartengestaltung eigentlich verzichtbar, sofern man nicht Sammler neuseeländischer Pflanzen ist. Das jedoch ist lediglich die unbedeutende Meinung des Autors.
Der nächste Beitrag befasste sich mit dem wachsenden Sortiment des Japanwaldgrases. Jonas Reif bezog sich in seinem Referat hauptsächlich auf die Veröffentlichung in GP 09/15 und beschrieb erfrischend burschikos seine Reise nach Japan, bei welcher er trotz akuter Flugangst zwei Ziele fokussierte: Hakonechloa am Naturstandort zu finden und den Fuji mit eigenen Augen zu sehen. Beides ging mehr oder weniger schief; der Gipfel des Fuji verbarg sich hartnäckig unter Wolken, und die eigentlich anvisierten Standorte des Japan-Waldgrases in den Wäldern der Provinz Honshu erwiesen sich als ungeeignet, da im Unterholz ausschließlich dichte Bambusbestände vorherrschten. Im Folgenden beschrieb Herr Reif seine Erfahrungen, die er im eigenen Garten mit dem wunderbaren Gras gemacht hatte und gab Empfehlungen zu einzelnen Sorten und geeigneten Standorten. Als nicht empfehlenswert wurden die Sorten ‚Nicolas‘, Sunny Delight‘ und ‚Naomi‘ eingestuft.
Ein weiteres Thema befasste sich mit Gräsern eurasischer Steppen und Wiesensteppen, Referent wiederum Prof. Cassian Schmidt. Ausgangspunkt war eine Expedition ins zentralasiatische Kirgisistan, um dort die üppigen Steppengesellschaften des Tien-Shan zu studieren. Es handelt sich in der Regel um trockenheitsverträgliche, wärmeliebende und störungstolerante Arten, die sommerliche Trockenperioden und winterliche Kälteperioden überstehen können. Niederschläge gibt es im Frühsommer und im Herbst. Dadurch trumpft die Steppenvegetation im Frühsommer bis etwa Mitte Juli mit üppiger Blüte auf. Vor allem Vertreter der Familien der Laminaceen und Asteraceen sind häufig vertreten. Gräser verweben die gesamte Situation. Man erkennt, dass die stabilen Strukturen der Samenstände der Stauden und Gräser bis weit in den Winter hinein erhalten bleiben. Dies macht den ästhetischen Reiz einer Steppenpflanzung aus und sollte unbedingt berücksichtigt werden bei der Umsetzung einer solchen Pflanzengesellschaft im eigenen Garten. Prof. Schmidt verwies auf die etwa 400 m² große Salbei-Schafgarben-Pflanzung im Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof, wo eine solche Pflanzung beispielhaft umgesetzt wurde. Als Gräser eignen sich das noch wenig bekannte, jedoch sehr gelobte Achnatherum splendens sowie Festuca-Arten, Helictotrichon-Arten oder Melica-Arten. Als verwebende Elemente dienen Galium-Arten. In diesem Zusammenhang wurden weiterhin Chrysopogon gryllus (zart, attraktiv, straff aufrecht), Stipa gigantea (langlebig, attraktive goldgelbe Grannen) und Achnatherum calamagrostis ‚Lemperg‘ (standfester als die Art) als sehr empfehlenswert erwähnt.
Es folgte eine Aufstellung gartenwürdiger europäischer Gräser, deren Standortvorlieben und möglicher Benachbarung. Die Palette reichte von Luzula-Arten über Melica, Festuca bis wiederum zu Carex-Arten, die wegen ihrer großen Standortamplitude einen breiten Raum einnahmen. Jedes Gras wurde durch Fotos vorgestellt und ergänzende nützliche Angaben dazu gemacht. Diese Aufstellung brachte Till Hofmann zu Gehör.
Nach der Kaffeepause gab es einen Exkurs zu gräserartigen Stauden, deren Vorteil sowohl in der strukturbildenden Wirkung als auch im dekorativen Blüheffekt dieser Stauden zu suchen ist. Es ging hauptsächlich um kleine Stauden für Steinanlagen (Armeria, Plantago u.a.), Lilien- und Affodillgewächse (Asphodeline lutea, Kniphofia-Arten, Zigadenus elegans und weitere) und Schwertlilliengewächse. Sie alle wurden durch Pflanzbeispiele von Sven Nürnberger erläutert.
Am Ende des Tages ging es noch einmal um Gräser der Prärie, selbstverständlich vorgetragen von Prof. Schmidt. Er spannte den Bogen von den niedrigen Gattungen Bouteloua, Sporobolus über mittelhohe und hohe Gräser wie Eragrostis und vor allem Panicum mit seinen vielfältigen Sorten und Auslesen, Schizachyrium, Sorghastrum und Andropogon. Zu vielen genannten Arten gab es nähere Erläuterungen bzw. Hinweise zu sehr guten Auslesen. Sie alle verlangen frischen Boden, um gut zu gedeihen. Das bedeutet, in der warmen Jahreszeit wenn nötig zu wässern, da es sich ausschließlich um C-4-Gräser handelt.
Der Sonntag begann mit der Vorstellung verschiedenster, in der Regel kleinwüchsiger Gräser für den Steingartenbereich, untergliedert nach bevorzugten Standorten, Farbeffekten und Aufgaben, die diese Gräser im Lebensbereich Steingarten übernehmen. Sie können gerüstbildende, begleitende, aber auch solitäre Aufgaben erfüllen. Nicht zuletzt sichern sie Schuttränder und Halden vor dem Abrutschen. Wer je im Hochgebirge unterwegs war, erinnert sich mit Sicherheit lebhaft an die Gräsersäume der schmalen alpinen Steige.
Der nächste Beitrag kann als Kontrastprogramm zum vorhergehenden angesehen werden. Es ging um die großartigen Miscanthus sinensis; alle gartenwürdigen Arten aufgelistet mit bevorzugten Eigenschaften und Größenverhältnissen. Herr Friedrich Camehl, Inhaber der gleichnamigen Spezialgärtnerei, wartete mit eindrucksvollen Fotos aus dem Mutterpflanzenquartier seines Schaugartens auf. Mir war bis dato nicht geläufig, welch riesiges Sortiment die Gattung beinhaltet. Da tat es not, Lieblingspflanzen herauszugreifen, um nicht komplett die Orientierung zu verlieren, was wiederum Jonas Reif in bewährter Art tat. Hier also seine Auswahl: M. sinensis ‚Gracillimus‘, ‚Morning Light‘, ‚Kaskade‘, ‚Malepartus‘ und ‚Ghana‘.
Die Veranstaltung neigte sich langsam dem Ende zu; es gab noch zwei Beiträge. Der erste befasste sich mit empfehlenswerten Pennisetum, vorgestellt von Prof Schmidt. Das Sortiment wurde unterteilt in drei Rubriken: Mehrjährig und winterhart für sonnige und warme Lagen. Dazu zählen alle Arten von P. alopecuroides und bedingt P. orientale. Es sind allesamt C-4-Gräser für überwiegend frische Böden. Etliche wurden besonders durch Bild und Vortrag hervorgehoben. Dazu zählt z.B. Pennisetum fo. viridescens ‚Moudry‘, das einen aparten Olivton aufweist, breitblättrig und mit niedrigem Horst daherkommt. Es kommt selten zur Blüte und braucht eine gute Drainage. Ich werde es ausprobieren. Zur zweiten Rubrik zählen mehrjährige, aber nur bedingt winterharte Pennisetum. Hier wurde besonders Pennisetum macrourum hervorgehoben und eindrucksvolle Bilder aus dem Hermannshof gezeigt. Die dritte Rubrik umfasste einjährige bzw. nicht winterharte Pennisetum. Besonders verwiesen wurde auf Pennisetum glaucum, die Perlhirse, ein wichtiges Getreide in Afrika. Weitere Vertreter dieser Gruppe sind P. x advena sowie P. purpurea.
Noch ein wichtiger Beitrag von Till Hofmann zum Schluss zur Gräserpflege. Sie unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Staudenpflege, jedoch sind einige Besonderheiten zu beachten, die sich vor allem aus dem Wachstumsrhythmus der Gräser ergeben, siehe weiter oben. Zu beachten ist bei den C-3-Gräsern, als Beispiel diente wiederum Sesleria, dass kein bodenebener Rückschnitt erfolgt im Frühjahr, was eigentlich auf alle immergrünen Gräser zutrifft. Vermehren sollte man sie möglichst im September/Oktober und zwar dergestalt, dass einzelne Teilstücke abgerissen und etwas tiefer als die ursprüngliche Pflanze einzusetzen sind. Till Hofmann erläuterte weiterhin die im Hermannshof entwickelten 5 Pflegestufen, die aufeinander aufbauend eine Zunahme an Ordnung und Ästhetik nach sich ziehen. Es wurden weiterhin Tipps zum Umpflanzen von Großgräsern sowie zur Rückschnitttechnik gegeben. Ein weiteres Thema waren Gräser und Unkraut. Gräser können selbst zum Unkraut werden (starke Ausläuferbildung, starke Versamung). Erforderliche Gegenmaßnahmen wurden erläutert. Es wurde in diesem Zusammenhang eine spezielle Warnung vor Muehlenbergia mexikana ausgesprochen.
Nach einer kurzen Abschlussdiskussion erfolgte die Verabschiedung durch Jonas Reif, und damit war das überaus spannende, abwechslungs- und lehrreiche Seminar beendet.
Fazit: Für mich stellten diese 3 Tage eine ungeheure Bereicherung meines fachlichen Wissens über Gräser dar; es gab Dutzende von Anregungen für die eigene Verwendung. Hervorzuheben waren weiterhin die entspannte Athmosphäre und die Möglichkeit, in den Pausen mit den Referenten bzw. anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Das eröffnete mir nebenbei auch einen Blick auf die Probleme der professionellen Gartengestalter, die sich grundsätzlich von denen der Autodidakten bzw. gärtnerischen Laien unter den Pflanzenverwendern unterscheiden. Ich denke, dass ich nicht das letzte Mal in Grünberg gewesen bin, interessante Themen vorausgesetzt.
Aufgestellt: Elke Wagner/ im Februar 2016