Gemeinsam Lernen und Vielfalt schaffen:
Bericht über das erste Fachgruppentreffen im Garten von Roswitha Amschler, Unsleben, am 29. Juni 2024.
Autoren: Anke Aref, Sabine Baumann, Cynthia Nagel
alle Bilder: ©2024 Cynthia Nagel
Am 29. Juni 2024 trafen sich bei 30 Grad Celsius über 30 GdS-Mitglieder zum ersten Fachgruppentreffen „Wildstauden und naturnahes Gärtnern“ im Garten von Roswitha Amschler in Unsleben in der fränkischen Rhön. Initiiert und vorgestellt hatte das neue und umfassende Konzept der Fachgruppe Dr. Cynthia Nagel zusammen mit Sabine Baumann und Dorothea Steffen auf der diesjährigen GdS-Jahrestagung in Bonn im Mai. Dort signalisierten spontan mehr als 30 Teilnehmer ihr Interesse an der Fachgruppe und so konnte zeitnah die Fachgruppe gegründet und genehmigt werden.
Ein Termin und Ort für das 1. Fachgruppentreffen war schnell gefunden: Die wunderschönen naturnahen Gärten von Roswitha Amschler. Neben dem eher konventionellen Haus- und Wohngarten mit Rosen, Stauden, vielen Pflanzen in Töpfen, Sitzplätzen und einem Teich gibt es eine früher durch die Holzwirtschaft genutzte Fläche mit Schwimmteich, die umgestaltet wurde zu einem Kiesgarten mit Wildstauden und trockenheitsresistenten Pflanzen. Dieser Bereich ist wenig pflegeintensiv und wird lediglich durch gelegentliches Jäten gestaltet, damit sich zu invasive Stauden nicht übermäßig verbreiten. Ende Juni dominierten hier Natternkopf (Echium vulgare), Junkerlilie (Asphodeline lutea), Mannstreu (Eryngium planum), Spornblume (Centhrantus ruber), Trommelstocklauch (Allium sphaerocephalon) und Wimper-Perlgras (Melica ciliata). Zusätzlich gibt es noch zugepachtete Flächen, die sehr unterschiedlich bepflanzt sind. Teilweise traditionell mit Rosen und Stauden, teilweise mit einheimischen Wildstauden und vielen Gehölzen. Hier fließt auch ein Bach und der Standort erlaubt so eine andere Bepflanzung als im trockenen Kiesgarten.
Die Initiatoren hatten nicht mit einer so regen Teilnahme gerechnet. Die Tatsache, dass dreißig Personen in die Mitte Deutschlands reisten, um sich in der Nähe des Biosphärenreservates fränkische Rhön über Wildstauden und naturnahes Gärtnern auszutauschen, beweist die Brisanz des Themas, das nicht nur GdS-Mitglieder in Zeiten des Klimawandels und Artensterbens umtreibt.
Eine informelle Vorstellungsrunde im Hof des Hauses zeigte schnell, wo die verschiedenen Prioritäten der Gruppe lagen und mündete in der Diskussion über verschiedene Umsetzungsformate des „naturnahen“ Gärtnerns und die Beschäftigung und den Austausch über Wildstauden, Sichtungen von Insekten, Vögeln und anderen Tieren in naturnahen Flächen, Techniken der sich merklich wandelnden Gartenkultur[en] als Reaktion auf das Zusammenspiel von Natur und Klima. Blanko-Zettel zum Aufschreiben von Ideen für Ziele und Wünsche der FG-Arbeit wurden verteilt.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass Wildstauden Korridore schaffen für Insekten, Tiere und Vögel und dass der Austausch von Erfahrungen und das Netzwerken wichtig ist für das Voranbringen des Themas und das gemeinsame Lernen und Tun, um Vielfalt zu erhalten und zu schaffen.
Der Garten von Roswitha Amschler mit den verschiedenen Lebensbereichen und Zonen bot den Teilnehmern hierzu anschauliche Gartenbeispiele, in denen sich eine Vielzahl von seltenen Schmetterlingen und Insekten tummeln. Die Nähe von Honigbienenstöcken dezimiert in ihrem Kiesgarten allerdings die Wildbienenpopulation.
Einstimmig gewählt in die Funktion als Kassenwart wurde Eva Förster aus Bremen von der Regionalgruppe Weser Ems.
Die Seite der Fachgruppe „Wildstauden und naturnahes Gärtnern“ wird weiter ausgebaut werden.
Fotos oben sowie unten links: Kiesgarten - unten rechts: Hosta-Töpfe im Hof
Fotos oben: Gepachtete Themengärten
Bei dem Treffen in der Rhön waren vor allem zwei Insekten und eine Pflanze sehr präsent. Sowohl im Garten von Roswitha Amschler, wie auch im Trockengebiet Mittelstreu dominierte das Blau des Natternkopfs (Echium vulgare). Dieser Vertreter der Raublattgewächse (Boraginaceae) liebt auch im Garten vollsonnige Lagen und durchlässige, eher sandig/steinige Böden. Er verträgt gut sommerliche Trockenheit. Als typische Ruderalpflanze wächst er bevorzugt dort, wo der Boden gestört wurde. Schließt sich die Pflanzendecke, verschwindet er. Der Natternkopf ist nicht sehr konkurrenzstark, zweijährig und ein Insektenmagnet.
Drei einheimische Wildbienen sind streng spezialisiert auf ihn, d.h. ohne Natternkopf sterben sie aus. Zwei sind sehr selten, aber die Natternkopf-Mauerbiene ist durchaus häufig. Diese ist auch sehr kreativ in der Nistplatzsuche und man kann sie auch in den sogenannten „Bienenhotels“ finden.
Links: Weibliche Natternkopf-Mauerbiene (Osmia adunca syn. Hoplitis adunca)
Rechts: Männchen, man findet diese meistens auf Steinen in der Sonne ruhend
Vor allem auf den trockenen Wiesen flatterten unzählige Schachbrettfalter (Melanargia galathea). Meistens saßen sie auf den Flockenblumen, aber auch auf Disteln oder der Wegwarte. Der Schachbrettfalter ist einer von vielen Faltern, deren Raupen sich von Gräsern ernähren. Allerdings hat man diese Gräser nicht als Ziergräser im Garten, sondern wenn überhaupt in der Wiese. Eine Ausnahmen ist, zumindest beim Schachbrettfalter, Molinia caerulea, welches auch als Ziergras verwendet wird. Der hübsche Falter ist aber vor allem auf trockenen, nährstoffarmen, sonnigen Wiesen zu finden. Die Weibchen legen die Eier nicht vor Ende Juli ab bzw. lassen sie einfach fallen. Werden Wiesen zu früh gemäht, so kann die Eiablage nicht erfolgen. Für den Schachbrettfalter macht also der #mähfreiermai wenig Sinn. Die Raupe nimmt nach dem Schlüpfen keine Nahrung auf, sondern überwintert sofort im Bodenstreu und beginnt erst im Frühjahr an den frischen Gräsern zu fressen.
Das Jakobs-Greiskraut (Jacobaea vulgaris, Syn.: Senecio jacobaea), auch Jakobs-Kreuzkraut genannt, wird auf Grund seiner Giftigkeit sehr verteufelt. Es ist vor allem für Nutztiere sehr gefährlich, wenn es ins Heu gelangt. Im grünen Zustand wird die Pflanze von Weidetieren gemieden. So war es für die Teilnehmer des Treffens in Unsleben ein Erlebnis, einen anderen Aspekt dieser Pflanze live zu erleben. Schwarz-gelb geringelte Raupen - von einem Teilnehmer Tigerenten-Raupen getauft - tummelten sich am Jakobs-Greiskraut. Diese gehören zum Jakobskrautbär bzw. Blutbär (Tyria jacobaeae), einem schwarz-roten Falter, der sich u.a. am Jakobs-Greiskraut entwickelt. Ihre Futterpflanzen sind meistens Angehörige der Gattung Senecio, aber manchmal gehen sie auch an andere Pflanzen. Bei der schwarz-gelben Färbung handelt es sich nicht um Mimikry („Ich bin nicht gefährlich oder giftig, sondern tue nur so.“), wie man es von Schwebfliegen kennt, sondern tatsächlich um eine Warnfärbung. Der Blutbär nimmt die Giftstoffe seiner Wirtspflanze auf und ist so für die meisten Tiere ungenießbar. Durch die fehlenden Feinde und den großen Appetit dezimieren die Raupen des Blutbärs Bestände des Jakobs-Greiskrauts bis zur Vernichtung desselben und müssen deshalb nicht bekämpft werden. Die Raupen sind, wenn nicht genügend Futterpflanzen vorhanden sind, Kannibalen. Dies kommt bei Falterraupen häufiger vor. Der hübsche Aurorafalter frisst ebenfalls die Konkurrenz.