Auf den Spuren von Cedric Pollet und seinem Buch ‚Gärten im Winter‘ machen wir uns auf die
Reise in die Normandie zu Beginn des Frühlings
Früh gings los! Im Elsass trafen wir die zweite Hälfte unserer Reisegruppe, Gartenfreunde von Clément Deckert, der die Reise im Wesentlichen geplant und organisiert hat. Und wenn Elsässer eine Reise planen, dann ist für das leibliche Wohl gesorgt… So reisten wir wie „Gott in Frankreich“ in die Normandie. Jeden Mittag gab es eine gemütliche Rast in typisch französischen Landgasthöfen. Häufig dabei auch Hühnchen in allen möglichen Variationen. Nach ein paar Tagen benannten wir die Reise um in ‚Jardins et Poulets‘! Clément ein herzliches Dankeschön auch für diese köstlichen Pausen.
1. Tag
‚Jardin des Closerais‘ – Wir sind hier im Champagner-Gebiet und passend dazu werden wir in unserem ersten Garten mit einem Glas Champagner begrüßt. Hier in der Kreide-Champagne hat die Erde einen ph-Wert von 8,3. Also ist die Pflanzenauswahl gut zu überlegen. Mit seiner Gehölz-Sammlung ist dies dem Besitzer gut gelungen.
Anschließend geht es auf die Montagne de Reims, eine Hügelkette, die das Champagnergebiet dominiert und wo wir ein Naturschauspiel besonderer Art erleben. Wir spazieren durch die ‚Faux de Verzy‘, den größten von nur drei noch existierenden Süntelbuchenwäldern. Ein Märchenwald! Und jetzt, im laublosen Zustand, ist der beste Zeitpunkt, die Baumarchitektur der Fagus sylvatica var. tortuosa zu genießen. Ungefähr 600 Bäume wachsen hier.
Faux de Verzy
©2019 Sabine Baumann
2. Tag
Wir bleiben in der Region Picardie und besuchen am Morgen den ‚Jardin de Moulin Ventin‘. Eine Vielzahl von englischen Borders, in denen besondere Gehölze und Stauden dicht bei einander stehen, dazwischen Zwiebelpflanzen als Frühlingsboten, prägen diesen Garten einer restaurierten Mühle. Überall ist Wasser! Hier findet sich der Satz von der ‚geborgten Landschaft‘ ganz besonders bestätigt. Besonders angetan hat es uns der angrenzende Pappelwald. Mausgraue Stämme in Reih und Glied soweit das Auge reicht. Man stelle sich stattdessen eine Mauer hier vor!
Jardin de Moulin Ventin
©2019 Sabine Baumann
©2019 Sabine Baumann
©2019 Alain Tessier
©2019 Sabine Baumann
©2019 Sabine Baumann
Dann beginnt die Normandie mit der Besichtigung des ‚Jardins de la Mare aux Trembles‘, benannt nach den Zitterpappeln um den dortigen Teich. In dem 4.500qm großen wunderschönen Garten stehen zehn Himalaya-Birken zwischen Hecken und kontrastieren mit ihren leuchtend weißen Stämmen mit dem sie umrahmenden dunklen Grün. Der Besitzer hat in der unteren Etage wirklich alles in Form geschnitten. So entstand ein edles Parterre über dem in der zweiten Etage selbst so schlichte Geschöpfe wie der Essigbaum mit seinen sparrigen Ästen wie eine tanzende Ballerina wirkt.
Jardins de la Mare aux Trembles
©2019 Sabine Baumann
©2019 Sabine Baumann
Die heutige Übernachtung im Zentrum von Rouen ist ein nicht-gärtnerischer Höhepunkt. Die nächtliche Altstadt versetzt uns ins Mittelalter – hier wurde Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen verbrannt - und macht neugierig auf einen erneuten Besuch.
3. Tag
Zwischen Rouen und Dieppe liegt der 60.000qm große Park ‚Les Jardins de Bellevue‘, der nicht nur unzählige Bäume mit schönen Rinden zu bieten hat, welche in den 1980ern gepflanzt wurden, sondern auch immer noch einige Lenzrosen von der nationalen Sammlung, die einst Martine Lemonnier hier gegründet hat. Obwohl sich mittlerweile ihr Sohn Alexis um das Anwesen kümmert, lässt sie es sich nicht nehmen, uns selbst durchs Gelände zu führen…
Les Jardins de Bellevue
©2019 Sabine Baumann
Am Nachmittag besichtigen wir unter hundertjährigen Bäumen den vor noch nicht allzu langer Zeit entstandenen modern gestalteten ‚Jardins d’Etretat‘. Ein magischer Ort. Die hier präsentierte zeitgenössische Kunst fügt sich gut zwischen Formgehölzen ein und von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick auf das berühmte Felsentor im Meer, was Monet seinerzeit veranlasst hat, von hier aus seine Serie ‚Les Falaises d’Etretat‘ zu malen.
Jardins d’Etretat
©2019 Ulla Gumbel
©2019 Sabine Baumann
©2019 Ulla Gumbel
4. Tag
Nun tauchen wir in Varengeville-sur-Mer so richtig ins gärtnerische Zentrum des Geschehens der Normandie ein.
Am frühen Morgen bei wunderschön weichem Licht besuchen wir im nahgelegenen Sainte-Marguerite-sur-Mer ‚Les Jardins de Vasterival‘, welche Prinzessin Greta Sturdza hier Mitte des 20. Jahrhunderts angelegt und nach und nach mit 10.000 Pflanzenarten und -sorten – darunter mit der Zeit immer selteneren – bepflanzt hat. Sie schuf hier auf 12ha – bergauf und bergab – eine Landschaft in der Landschaft. Etliche Sorten sind hier entstanden. Wir gehen durch einen blühenden Magnolien- und Kamelienwald, später kommen noch Rhododendron dazu. Die hohen Bäume sind aufgeastet und bilden ein schützendes Dach. Manche seltenen Exemplare vermehren sich hier ohne gärtnerisches Zutun. Chefgärtner Didier Willery berichtet, wie die Sämlinge im Schutz von bewusst nicht gerodeten Brombeerhecken aufwachsen. Ab einer bestimmten Größe finden sie ihren Platz im Garten – ein Perpetuum Mobile. Willlery führt uns über das Gelände, wo schon vieles in Blüte steht: Zwiebelpflanzen, Sträucher und Bäume. Auch hier finden sich natürlich die schönsten Baumrinden. Und im neuen Verkaufsraum entdecken wir so manche Rarität…
Les Jardins de Vasterival
©2019 Alain Tessier
©2019 Alain Tessier
©2019 Alain Tessier
Nach dem Mittagessen im ‚Piment Bleu‘, es gab zum Nachtisch eine köstliche Tarte au Citron, empfängt uns Jean-Louis Dantec in seinem „Garten“ ‚L’Etang de l’Aunay‘. 60.000 qm konnte er bepflanzen! Um zentrale Weiher – nicht nur einen – hat er eine Gehölzrarität an die andere gereiht, es sind Tausende! Und es sieht auch noch gut aus. Und eine Blickachse auf das nahe Meer gibt es auch noch.
Nirgendwo anders ist der Spruch „Der Garten ist ein Pflanzentheater und der Gärtner sein Regisseur“ passender als in diesen beiden Gärten.
L’Etang de l’Aunay
©2019 Sabine Baumann
©2019 Sabine Baumann
©2019 Sabine Baumann
©2019 Sabine Baumann
5. Tag
Und jetzt könnte man vielleicht etwas erwerben, etwas Pflanzliches? Zwei Baumschulen mit Gärten und Sammlungen stehen heute auf dem Programm.
In den 80ern pflanzte Jean-Pierre Hennebelle, der Vater von Nicolas und Jean-Loup, die jetzt die Baumschule betreiben, einen einmaligen Hain, in dem bemerkenswerte Bäume ganz nah bei einander stehen. Ahorne, Zierkirschen und Birken erzeugen ein herrliches Rindenfarbspiel. Übrigens werden die weißen Stämme der Himalaya-Birken gewaschen, damit sie wirklich so weiß sind. Und das ist keine Fake News! Die Baumschule ist auf 12.000 qm als englischer Landschaftspark gestaltet mit hunderten Arten und Sorten von Gehölzen.
Hennebelle
©2019 Sabine Baumann
Am Nachmittag besuchen wir die Gärtnerei Brochet-Lanvin und besichtigen den ‚Jardin de la Presle‘, wo sich zu dieser Jahreszeit unter anderem die Nationale Sammlung der Weiden (Salix) wunderschön präsentiert und auch die über 150 Saxifraga ‚Kabschia Group‘. Auf 20.000 qm werden hier Gehölze und Stauden präsentiert, die speziell für kalkhaltige Böden geeignet sind. Schließlich sind wir wieder zurück in der Champagne – und auf dem Heimweg!
(Text: Ulla Gumbel und Clément Deckert)