Text Gitti Müller, Christine Bahlo, Renate Zickenheimer
Fotos Robert Höck, Renate Zickenheimer
Für die neue Fachgruppe „Aquilegia und Thalictrum“ konnten Gitti Müller und Robert Höck aus Tirol als Spezialisten gewonnen werden. Im Juli 2016 wurde das nachfolgende Interview von Renate Zickenheimer mit Gitti Müller in ihrem Berggarten, der malerisch auf 1500 m Höhe liegt, geführt.
Akelei-Beet mit Aquilegia chrysantha, Aquilegia oxysepala und verschiedenen Zuchtformen
©2016 Robert Höck
Was bedeuten Ihnen Akeleien?
Als ich vor vielen Jahren die erste Akelei in einem Garten sah, war ich einfach nur fasziniert von dieser schönen Pflanze. Es ist erstaunlich, wie vielfältig die Akeleien im Aussehen sind und wie man sie mit zahlreichen anderen Stauden kombinieren kann. Je mehr Akeleien ich im Garten habe, umso größer wird meine Sammelleidenschaft.
Die Aquilegia vulgaris ist von allen Akeleien die Bekannteste und es gibt sehr viele unterschiedliche Formen und Farben. Es gibt einfache, schwach oder stark gefüllte Blüten, mit oder ohne Sporn, ein-, zwei-, mehrfarbige, zwergwüchsige und hohe Akeleien. Meistens haben sie nickende Blüten, aber auch die nach oben gedrehten sind nicht selten. Beim Laub gibt es unterschiedliche Färbungen, die von grün über gelb bis zu bunt reichen.
Mittlerweile habe ich eine umfangreiche Aquilegia-Sammlung, welche ich in den nächsten Jahren weiter ausbauen möchte. Das Züchten von eigenen Hybriden bereitet mir sehr viel Freude. Besonders am Herzen liegen mir die Wildarten, welche ich in meinem Sammlergarten artenrein erhalten möchte. Die Pflanzen sind für mich ein Hobby, ein Ausgleich und eine Lebensaufgabe.
Aquilegia formosa
©2016 Robert Höck
Am 01.07.2016 ist die Fachgruppe „Aquilegia und Thalictrum“ gegründet worden. Es gab einige Reaktionen, die deutlich machten, dass eigentlich kaum jemand etwas Spezifisches über Akeleien weiß. Was würden Sie antworten, wenn die Bemerkung käme: „Ach, das wächst bei mir wie Unkraut, das reiße ich immer heraus?“
Einige Akeleien, wie zum Beispiel Aquilegia atrata, A. alpina und A. vulgaris säen sich tatsächlich gerne von selbst aus, wenn ihnen das Klima und die Bodenbeschaffenheit zusagen. Diese Arten bevorzugen einen durchlässigen, humusreichen und leicht feuchten Boden. Um eine Selbstaussaat zu verhindern, braucht man nur die Samenstände nach der Blüte abzuschneiden. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die abgeschnittenen Samenstände fachgerecht entsorgt werden.
Andere Arten oder Sorten säen sich nicht von selbst aus und verschwinden sogar nach zwei bis drei Jahren wieder aus dem Garten.
Aquilegia viridiflora
©2016 Robert Höck
Wie viele Wildarten gibt es eigentlich, und stimmt es, dass viele Naturbestände drastisch zurückgehen?
Es gibt ca. 70 bis 75 Wildarten. Wie auch bei anderen Pflanzen, gehen die Naturbestände der Akeleien zurück. Die größte Gefahr für die Aquilegia-Wildarten ist der Mensch. Durch Flurbereinigungen oder den Bau von neuen Objekten werden ganze Standorte vernichtet. Ebenfalls sollten Wanderer auf das Pflücken von Wildakeleien oder das Absammeln von Samen verzichten. Viele Menschen besitzen eine Kamera oder ein Handy, sodass jeder schöne Aufnahmen von diesen Pflanzen machen kann. Für Liebhaber von Akeleien sind Samen von verschiedenen Arten und Sorten im Internet (vorwiegend auf englischen Seiten) erhältlich.
Auf Spritzmittel im eigenen Garten sollte unbedingt verzichtet werden! Sie fragen sich wahrscheinlich, was das jetzt mit dem Aussterben der Akelei-Wildarten zu tun hat. Die Akeleien werden besonders gerne von Wildbienen, Schwärmern und Hummeln besucht, hier besteht ein großer Zusammenhang zu ebenfalls gefährdeten Insektenarten. Wenn der Bestand der Insekten zurückgeht, sind auch die Wildakeleien gefährdet, da die Insekten die Akeleien bestäuben.
Aquilegia-Krezung aus A. chrysantha und A. atrata
©2016 Robert Höck
Wie sieht es mit Schädlingen und Krankheiten aus?
Normalerweise sind Akeleien recht robuste Pflanzen, jedoch können manchmal diverse Schädlinge und Krankheiten auftreten. Am häufigsten sind es Minierfliegen-Larven, der kleine Frostspanner oder Läuse, die den Akeleien schaden. Bei einem Schädlingsbefall sollte in erster Linie zu biologischen Mitteln gegriffen werden.
Minierfliegen lassen sich durch das Entfernen der befallenen Blätter oder durch die Behandlung mit Brennnesseljauche bekämpfen, Kleine Frostspanner und dessen Raupen werden gerne von Hühnern oder anderen Vögeln gefressen. Blattlausbefall kann man zum Beispiel mit medizinischer Schmierseife behandeln. Bekämpfungsmaßnahmen sind wichtig, da sich die Schädlinge schnell im gesamten Garten ausbreiten können.
Eine ernstzunehmende Krankheit ist der Falsche Mehltau, in Fachkreisen bekannt als „Downy Mildew“, der in Teilen Großbritanniens vorkommt. Dort sind schon Akeleien von dieser Killerkrankheit, die nichts mit dem Falschen Mehltau an anderen Pflanzen zu tun hat, betroffen. Es ist derzeit nicht bekannt, ob die Krankheit durch Samen übertragen wird. Bei den Akelei-Sämlingen und vor allem beim Pflanzenkauf sollte man auf auffällige Flecken auf den Blättern (weiß bis gelb-grünlich, vertrocknetes Aussehen der Pflanze, eingerollte Blätter und abgestorbene Pflanzenteile) achten.
Bei einem Verdacht auf Falschen Mehltau die Pflanzen in einen luftdichten Kunststoffbeutel einpacken und sofort in den Restmüll geben. Infizierte Pflanzen nicht auf den Komposthaufen geben oder im Wald entsorgen! Das gilt auch für den Echten Mehltau, hier besteht Ansteckungsgefahr für heimische Wildarten! Generell ist es zur Vorbeugung von verschiedenen Schädlingen und Krankheiten von Vorteil, wenn man die Akeleien nach der Blüte zurückschneidet, sodass wieder frische Blätter austreiben.
'Crownhill Melody'
©2016 Robert Höck
Wie schwierig ist es, Akeleien arten- oder sortenrein zu erhalten?
Wenn man nur eine Aquilegia im Garten hat, ist es kein Problem, diese arten- oder sortenrein zu halten. Problematisch wird es, wenn man verschiedene Arten/Sorten kultiviert, denn diese können sich untereinander kreuzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten wie man das ungewollte Hybridisieren der Akeleien eindämmen kann:
- Ich pflanze meine besonderen Sorten und Wildarten weit genug voneinander entfernt.
- Einige Aquilegia-Arten kultiviere ich sogar auf dem Balkon, damit sie keinen Kontakt zu den herkömmlichen Aquilegia-vulgaris-Sorten haben.
- Ebenfalls kann man auf verschiedene Blütezeiten achten. Frühblüher sind Aquilegia flabellata oder A. canadensis, spätblühende Arten sind Aquilegia chrysantha, A. formosa oder A. buergeriana. Einige Sorten der Aquilegia vulgaris blühen recht lange, sodass sich die Blütezeiten überschneiden können.
- Die einzelnen Aquilegia-Arten sollte man mit einem Elternteil der gleichen Art kreuzen, sodass man artenreine Sämlinge erhält. Hat man nur eine Pflanze von der Art, kann man sie auch mit sich selbst bestäuben.
Aquilegia canadensis und Cypripedium calceolus
©2016 Robert Höck
Können Sie kurz beschreiben, welche Voraussetzungen zum Vermehren nötig sind?
Meine Erfahrungen zur Aussaat von Akeleien auf einer Höhe zwischen 1000 und 1500 m: Ideal sind kühlere Temperaturen bei der Aussaat. Dass alle Akeleien Kaltkeimer sind, stimmt nur bedingt. Ich konnte bisher nur feststellen, dass sie bei Kälte viel gleichmäßiger keimen. Sorten wie zum Beispiel Aquilegia pyrenaica, A. saximontana und A. kuhistanica würde ich am ehesten als Kühlkeimer bezeichnen.
Viele Akeleien würden problemlos im Hochsommer keimen, wobei ich eine Aussaat in dem Zeitraum vom August bis September nicht für gut heiße, da viele Sämlinge bis zum Herbst noch zu klein sind und den Winter nicht überstehen. Besonders die Sämlinge von Aquilegia skinneri und A. eximia reagieren empfindlich auf Frost.
Aquilegia caerulea 'McKana' im Garten von Gitti Müller
©2016 Renate Zickenheimer
Die Fachgruppe möchte bei den Jahrestreffen auch neue Hybriden sichten und bewerten. Welche Kriterien sind da für Sie wichtig?
Eine neu gezüchtete Akelei muss für mich mit einer schönen Blütenfarbe, klarer Form, guter Blattstruktur und durch Robustheit überzeugen und sollte sich sortenrein aus Samen ziehen lassen.
Aquilegia chrysantha im Garten von Gitti Müller
©2016 Renate Zickenheimer
Einige Gärtner behaupten, Aquilegia chrysantha würde sich nicht vermendeln, stimmt das?
Dass sich die Aquilegia chrysantha nicht mit anderen Akeleien kreuzen lässt, stimmt so nicht. Die Goldakelei ist bei vielen Gartensorten, wie zum Beispiel den Mrs.-Scott-Eliott-Hybriden oder den McKana-Giganten, eingekreuzt worden. Selbst ich habe schon ein paar Akeleien mit der schönen A. chrysantha gekreuzt.
Aquilegia vulgaris 'Marbled blue double' im Garten Zickenheimer
©2016 Renate Zickenheimer
Gibt es zu Aquilegia auch interessante Geschichten?
Besonders schön finde ich die Colorado-Akelei, Aquilegia coerulea (syn. A. caerulea), die auch unter dem Namen Rocky Mountain Columbine bekannt ist. Diese Akelei ist die Nationalblume von Colorado, weil sie eine der auffälligsten Wildblumen ihrer Heimat ist. Die Colorado-Akelei ist sehr langlebig und kreuzt sich gerne mit anderen Arten und Sorten in ihrer Nähe. Diese wunderschöne blau-weiße Akelei ist neben Aquilegia chrysantha ein Elternteil vieler Akeleien-Hybriden. Am bekanntesten sind die Hybriden A. caerulea ‘Blue Star’, ‘Kristall’, ‘Maxi’ oder ‘Crimson Star’. Die Colorado-Akelei besticht durch ihre lange Blütezeit und durch ihre großen langspornigen Blüten, die nach oben schauen.
Warum ist in der Fachgruppe auch Thalictrum mit berücksichtigt, passt das überhaupt zusammen?
Natürlich! Allein schon wegen der Ähnlichkeit passen Aquilegia und Thalictrum wunderbar zusammen. Viele Leute, die sich wenig mit Pflanzen befassen, können die Blätter der Akeleien und der Wiesenraute kaum unterscheiden. Erst bei der Blüte und den Samenständen sieht man die Unterschiede, so ist das Laub der Wiesenraute deutlich bläulicher als das der Akeleien. Auch die frischen Stängel einiger Wiesenrauten sind bläulich-lila gefärbt. Ein weiterer sichtbarer Unterschied ist auch, dass bei Thalictrum der Besatz mit Blättern deutlich dichter ist als bei den Akeleien.“
Vielen Dank, Frau Müller, für Ihre Ausführungen. Wir hoffen sehr, dass wir Ihre Ratschläge zur Erhaltung der Artenreinheit von Wildakeleien und Ihre umfangreiche Aussaat-Anleitung, die an anderer Stelle zu lesen sein wird, nützen können, um eine Spiegelsammlung Ihrer Arten anzulegen. Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, sich mit der Sammlung der Wildakeleien dem ‚Netzwerk Pflanzensammlungen‘ anzuschließen.