Ein Rückblick auf unsere Gruppenreise vom 21.05. - 26.05.2007
Bilder und Text: Robert Schombacher
Am Montag, es war der 21.Mai 2007, starteten 32 Pflanzenfreunde zu einer Gartenreise nach England. Auf dem Programm standen die Chelsea Flower Show und die schönsten Gärten Südenglands. Wir trafen uns in München am Flughafen, es war warm und die Sonne schien. Wir flogen mit British Airways, die uns in rund 1,5 Stunden nach London brachte, das uns kühl und regnerisch empfing. Als erster Lichtblick erwies sich aber bereits unsere Reiseleiterin, Frau Schabbel-Mader, die uns am Ausgang des Londoner Flughafens erwartete. Auch unser Bus stand schon bereit und Fahrer Michael entbot uns "a warm welcome". Sehr freundlich und mit einem riesigen Schnauzer; so, wie man sich halt einen Engländer vorstellt.
Damit der Tag nicht nur mit der Anreise ausgefüllt ist, stand am Nachmittag bereits der erste Garten auf dem Programm. Savill Garden, Teil des Windsor Great Park, ist ein schöner, kleinerer Landschaftgarten mit vielen Rhododendren. Da die Vegetation dieses Jahr auch in England rund 3 Wochen voraus war, neigte sich die Blütenpracht der Rhodos schon ihrem Ende zu. Trotzdem gab es Vieles zu bewundern, es blühten der blaue Mohn ( Meconopsis ) und gigantische Etagenprimeln. Da waren riesige Exemplare in einer Größenordnung, die wir noch nicht kannten.
Damit wir den Garten entsprechend würdigen konnten, hat es rechtzeitig zu regnen aufgehört. Wir fanden das vom Wetter sehr freundlich und so konnten wir den ganzen Garten in Ruhe durchstreifen. Am Ende waren wir dann aber doch froh, daß es noch einen schönen Tearoom gab, natürlich mit den entsprechenden englischen Kuchen, so daß wir unseren Gartenbesuch mit einem kulinarischen Höhepunkt beschließen konnten.
Am Dienstag strahlte die Sonne von einem wolkenlosen blauen Himmel. Grund genug für einen Feueralarm um 06:25 Uhr, damit auch keiner diesen schönen Morgen verschlief !
Nachdem wir uns am Frühstücksbufett gestärkt haben, ging es zu unserem ersten Garten an diesem Tag: Leonardslee. Nachdem die Familie Loder bereits das in der Nähe liegende High Beeches zu einem herrlichen Garten ausgebaut hatte, erwarb sie im 19. Jhdt. Leonardslee. Leonardslee ist ein riesiger Landschaftgarten, rund 970.000 m², da konnten wir uns schon mal für den Tag warmlaufen. Die Wege waren gesäumt von riesigen Rhododendren, Azaleen und Baumfarnen und immer wieder gab es grandiose Durchblicke.
Wir nahmen den oberen Weg, den "Top Walk", herrlich zugewachsen mit Rhododendren, die immer wieder einen Blick auf die unten liegenden Teiche erlaubten. Man geht unter großen Rhododendren – beeindruckend die Rh. loderi mit ihren riesigen weißen oder manchmal auch rosaroten Blüten - auf verschwiegenen Wegen langsam hinunter zu den großen Seen, die wie ein Band den Talgrund ausfüllen. Am Nordende liegt der Clapper Bridge Pond, von dem aus wir dann am Ufer der Teiche entlang gehend die perfekt inszenierte Landschaft genossen.
Leonardslee - Blick über den Leucothoe Pond
Foto © 2007 Robert Schombacher
Dann ging es wieder hinauf zum Herrenhaus, in dessen Nähe weiße Wallabies, eine Känguruart, gehalten werden. Gleich daneben liegt das große Alpinum, zwar eher eine Azaleen- und Gehölzsammlung, aber wunderschön bepflanzt. Am Rande überragte ein riesiger, blühender Crinodendron das alpine Tal.
Zum Abschluß besuchten wir noch die Puppenhausausstellung, die u.a. Szenerien aus dem englischen Gartenleben zeigten. Es gab englische Herrenhäuser mit Mixed Borders, Schrebergärten mit Gemüse und Gärten von "Plant Enthusiasts" in kleinem Maßstab zu bewundern.
Anschließend besuchten wir den gleich in der Nähe liegenden Garten "High Beeches". Ein kleinerer ( "nur" 100.000 m² !), hügeliger Garten mit schönen Wegen und gekonnt plazierten Gehölzgruppen.
Auch hier gab es wieder ein Menge außergewöhnlicher Gehölze, wie z.B. den Schneeflockenbaum ( Chioanthus virginicus ), den überreich in weißen Rispen blühenden Styrax hemsleyana oder einen ebenso reich blühenden Rhododendron mit kräftig gelben Blütenglocken ( Rh. cinnabarinum ssp. xanthocodon) .
Um die Zeit zum Abendessen sinnvoll zu überbrücken, fuhren wir noch nach Wakehurst, einer Außenstelle von Kew Garden. Wakehurst ist eine überaus weitläufige Anlage, die in naturnahen Bepflanzungen dem Besucher seine Sammlung präsentiert. Hier braucht man richtig Zeit, um das Gelände einigermaßen erkunden zu können.
Wakehurst mit Keteleeria davidiana Foto © 2007 Robert Schombacher
Daß es hier absolute Raritäten zu sehen geben wird, das wußten wir. Embothrium coccineum, okay, das kannten manche schon aus Schottland; aber schon ein "ganz normaler" Nadelbaum entpuppte sich bei näherem Hinsehen als "Keteleeria davidiana". Dann kam es noch dicker: Symplocus paniculata, oder gar Drimys winderi, bei denen sogar die "Wissenden" unter uns ins Staunen gerieten.
Drimys winderi (li) mit Embothrium coccineum
Foto © 2007 Robert Schombacher
Auch am Mittwoch war es wieder sonnig. Strahlend blauer Himmel verstärkte noch die Freude auf Wisley Garden, den "Schaugarten" der Royal Horticultural Society. Unser Weg führte uns vorbei an opulenten Staudenbeeten, üppig blühenden Sträuchern hinauf zu dem mit größter Sachkenntnis angelegten Steingarten. Allein dieser Hang und vor allem die beiden Alpinhäuser ließen die Freunde der alpinen Flora vollkommen die Zeit vergessen.
Wisley - Blick aufs Alpinum Foto © 2007 Robert Schombacher
Hier wurden Pflanzen kultiviert, die man allenfalls vom Hörensagen kannte. Absolut gesund und oftmals in beeindruckender Größe wurden hier Alpine präsentiert, die man zuhause allenfalls mit Müh und Not am Leben erhielt.
Nach den Alpinhäusern geht es weiter zu der Bonsai-Sammlung und verschiedenen Schaugärten, die auf zurückliegenden Chelsea Flower Shows mit Gold prämiert worden sind und hier für die Nachwelt erhalten werden. Weiter geht es auf den Battleston Hill, von dem eine riesige Sichtachse hinunterläuft zu einem gewaltigen Mixed Border. Hier konnte man sehen, daß die Wisley-Gärtner ihre höheren Stauden mit zusammengebunden Reisern stützen, die sie in den Boden stecken und durch diese dann die Stauden wachsen lassen; im Endstadium sind diese Reiserstützen dann überhaupt nicht mehr zu sehen. Wisley gehört zu den besten Gärten; man muß es gesehen haben. Inzwischen ist es sehr warm geworden, das Wetter meinte es schon fast zu gut mit uns, trotzdem sagten wir Wisley schweren Herzens Good Bye, da als nächster Programmpunkt eine Stadtrundfahrt durch London anstand.
Unsere Londonexpertin wartete schon auf uns und so konnten wir sofort zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten aufbrechen. Es ging vorbei am Houses of Parliament, Downing Street N°10, weiter zu den Horsegards, über den Trafalgar Square mit der Nelson-Säule, vorbei an China-Town bis St. Pauls. Da unsere Londonführerin mitbekommen hatte, daß wir botanisch nicht ganz unwissend sind, legten wir hier einen kurzen Halt ein. Direkt an St. Pauls stand ein Baum, den sie nicht bestimmen konnte. Wir gingen in den kleinen Park und sahen dort einen freistehenden älteren Baum, etwa 7-8 m hoch, mit einer ca. 8 m breiten abgeflachten Krone, dicht an dicht mit großen goldgelben Blüten bedeckt. Hier stand ein Fremontodendron californicum, wunderbar gewachsen und in einer Größe, die – wie ein Pflanzenfreund bemerkte – sogar die Exemplare am Naturstandort übertraf. ( Anmerkung: in Kew steht auch ein sehr großes Exemplar, aber nicht so schön frei wie hier an St. Pauls ).
Leider war die Blüte schon weit fortgeschritten, ca. 2 Wochen früher wäre der absolute Blütentraum gewesen.
Fremontodendron californicum Foto © 2007 Robert Schombacher
Nachdem der Baumname nun geklärt war, ging es weiter über die Tower Bridge, vorbei am Tower selbst zum berühmten "London Eye", einem enormen Riesenrad am Ufer der Themse. Big Ben, Westminster, Buckingham Palace, Prince Albert Memorial und Royal Albert Hall waren weitere Sehenswürdigkeiten auf unserem Weg durch London.
Unsere Stadtrundfahrt endete am weltberühmten Kaufhaus Harrods, dem wir natürlich einen kurzen Besuch abstatteten. Besonders das ägyptische Treppenhaus wirkt sehr exotisch und ganz oben thront eine Sphinx, die die Gesichtszüge von Mohamed Al-Fayed trägt, dem Eigentümer von Harrods. Unten in diesem Treppenhaus befindet sich der Gedächtnisbrunnen mit den Konterfeis von Diana und Dodi Al-Fayed, der besonders von Touristinnen fotografiert wird. Absolut besuchenswert sind die "Food Halls" mit ihrer Jugenstilarchitektur. Doch nicht nur architektonisch beachtenswert, es waren auch die Angebote leiblicher Genüsse von bemerkenswerter Vielfalt: Da lagen doch glatt "Landjager" und "Original Bavarian Weisswurst" zum Verkauf.
Wer gerne mal ein Eis ißt, der sollte keinesfalls an Morelli´s Gelateria vorbeigehen! Gut – Eiscreme mit "Bluberry Cheesecake"-Geschmack ist nicht jedermanns Sache, aber die bekannteren Sorten sollte man auf jeden Fall versuchen. Nicht gerade ein Schnäppchen, die Kugel für 1 £, aber – lassen Sie sich das von einem Kenner sagen – von sensationeller Qualität !
Damit hatten wir nun auch diesen Tag geschafft und fuhren wieder zurück in unser Hotel.
Nun war endlich Donnerstag ! Chelsea Flower Show ! "A Great Day Out" ! Der Höhepunkt des englischen Gartenjahres und gleichzeitig Höhepunkt unserer Reise !
Wir hatten es anscheinend verdient: Die Sonne erstrahlte an einem blauen Himmel als wir bereits um 07:30 Uhr das Hotel verließen, um möglichst früh zur Chelsea Flower Show zu gelangen. Kurz vor 9 Uhr waren wir auch dort und wurden von den dortigen Parkplatzwächtern eingewiesen. Man darf hier nur kurz halten – also Ein- und Aussteigen - und das auch nur zu den vorher beantragten und genehmigten Zeiten ! Zur vereinbarten Abfahrtszeit brachten wir die Parkplatzüberwacher aber dann doch ordentlich ins Schwitzen, da sich nur die meisten die Kombination "Parkplatz 4 – direkt an der Themse" den ganzen Tag über merken konnten. 2 "German Ladies", die dann über den Sprechfunk der Wächter einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, fiel das Fehlen der Themse an ihrem Warteplatz doch erst relativ spät auf. Gut - fairerweise muß man erwähnen, daß die Themse hier nur 200 m breit ist; da sieht man leicht mal darüber hinweg.
Doch zurück zur Chelsea Flower Show: Am Eingang ging es recht flott, da um diese Zeit noch nicht so viele Besucher reinwollten. Auch in der Show war es bis Mittag noch recht gut zu gehen. Besonders am Morgen war im Great Pavillon noch recht wenig los, so daß man in Ruhe alles ansehen und fotografieren konnte. Erst am Nachmittag wurde es dann zusehends voller.
Wer die Chelsea Flower Show besuchen will, sollte sich auf Einiges gefaßt machen: Hier wird mit einer unbeschreiblichen Üppigkeit, gepaart mit überragendem gärtnerischem und floristischem Können eine Gartenwelt inszeniert, die in dieser Perfektion sicherlich weltweit einzigartig ist. Da werden z.B. Gärten mit Blumenwiesen präsentiert, die aussehen, als wüchsen sie hier schon seit Jahrzehnten.
Da werden im Great Pavillon Blütenträume nebeneinander gezeigt, deren Blütezeit im wirklichen Leben monateweit auseinanderliegt. Da stehen Sie vor einer Wand blühender Narzissen, daneben stehen Lupinen, die mit Delphinium wetteifern, exotische Aurikeln werden neben – normalerweise herbstblühenden – Chrysanthemum präsentiert. Von der Alpine Garden Society wurde ein kleines Alpinum, perfekt in Aufbau und Bepflanzung, ausgestellt. Natürlich eine Goldmedaille. Die Aurikel-Society zeigt die volle Bandbreite der Aurikelzucht. Orchideen in allen Formen und Ausprägungen, Zwiebel und Knollen in dichten Blütenwolken aufgebaut. Puuh – Gott sei Dank gibt es die "Great Lawn", die Große Wiese, die mittags komplett mit picknickenden Besuchern bedeckt ist. Entweder man hat sich was mitgebracht oder kauft sich eines der typischen englischen Sandwiches. Dazu wird "Pimm´s" getrunken. "Pimm´s" gehört zur Chelsea Flower Show wie z.B. die Erdbeeren zu Wimbledon.
Pimm's Cup:
6 cl Pimm's no. 1
auffüllen mit Ginger Ale oder 7up, evtl. auch Champagner
2 Gurkenscheiben
1 Zitronenscheibe
1 Orangenscheibe
2-3 Minzeblätter
Liest sich etwas exotisch, läßt sich aber - besonders an heißen Tagen mit etwas Eis - recht gut trinken.
"Pimm's No. 1" ist eine Gin-Spezialität, die 1840 von einem Restaurantbesitzer namens James Pimm entwickelt wurde. Das Rezept des Pimm's ist streng geheim.
Inmitten des Getümmels auf der "Great Lawn" stand ein Pavillon, in dem eine Kapelle einige Musikstücke zum Besten gab. Allerdings wurde der musikalische Schwung der Musikkapelle durch die Hitze deutlich hörbar gebremst, was allerdings durch die etwas eigenwillige Interpretation der Musikstücke locker wieder ausgeglichen wurde! Irgendwie paßte aber die Musik perfekt zu Pimm´s und den englischen Sandwiches!
Nachdem die Außenanlagen alle begutachtet waren, konnte man sich selbst eine Art Rangliste der besten bzw. schönsten Gärten anlegen. Beim nächsten Rundgang hatte man dann Gelegenheit zu überprüfen, inwieweit die eigene, laienhafte Einschätzung mit der der Jury übereinstimmt. Oder, andersherum: Einige der mit Gold ausgezeichneten Gärten waren in meiner persönlichen Rangliste nicht aufgeführt. Die Auszeichnungen der im Great Pavillon präsentierten neuen Züchtungen oder gelungenen Arrangements konnte man allesamt nachvollziehen; Bei den Auszeichnungen für die Gartenanlagen verwundert es einen als normalen Gartenbesitzer schon ein wenig, welche Entwürfe hier mit Gold, vergoldetem Silber oder Silber ausgezeichnet worden sind. Bei "Fetzer Vinery Gardens" stehen wir wohl alle hinter der Goldmedaille, bei "Chetwoods" ( ebenfalls Gold ) dürften sich die Geschmäcker aber bereits stark auseinanderbewegen.
Fetzer´s Vinery Garden (li) und Chetwoods
Vielleicht liegt es aber auch an der eigenen, romantischen Vorstellung, was einen schönen Garten ausmacht. Gekonnt ausgeführt waren alle. Schließlich sind auf der Chelsea Flower Show nur die Besten vertreten. Zu der CFS kann man sich nicht einfach anmelden und ausstellen, sondern man wird eingeladen. Allein schon die Berufung zur CFS adelt bereits den Gärtner.
Etwas ungewöhnlich war auch der hohe Anteil von Künstlern, die Bilder und Plastiken zum Verkauf anboten; trotzdem eine gelungene Ergänzung. Interessant waren auch die Aussteller, die Scheren, Rasenmäher, historische Werkzeuge und Pflanzenstützen anboten. Gerade bei Pflanzenstützen für höhere Stauden, wie Rittersporn oder Phlox, gibt es hier richtig praktische Konstruktionen zu kaufen; leider aber kein Versand "overseas". Ich fand es immer wieder amüsant, mit welchem Erstaunen die Aussteller das Ansinnen von sich wiesen, ihre Ware an Kunden außerhalb der Insel zu versenden. Eine Adresse auf dem Mond schien eher belieferbar zu sein als "Overseas".
Nachmittag wurde es dann ziemlich voll und man kam an die einzelnen Gärten gar nicht mehr richtig heran. Es war gut, daß wir bereits am Morgen gekommen waren und alles in Ruhe haben ansehen können. Jetzt pickte man sich noch den einen oder anderen Stand heraus, um seine persönlichen Vorlieben nochmals auf sich wirken zu lassen.
Wer sich die CFS gründlich und ohne Menschenmassen ansehen möchte, der sollte auf jeden Fall so früh wie möglich kommen. Auch sollte man einen ganzen Tag für die Besichtigung einplanen.
Freitag, vorletzter Tag. Wieder strahlte die Sonne aus einem blauen Himmel auf uns herab und bereitete uns schon am Morgen auf einen sehr warmen Tag vor. Erstes Ziel an diesem Tag war "Merriments Garden", ein noch junger, eher kontinental angelegter Garten mit einem angeschlossenen Gartencenter. Hier wurde entlang geschwungener Rasenflächen wieder Rarität an Rarität präsentiert. Der Garten war nicht in der üblichen formalen Struktur englischer Gärten angelegt, so mit Mauer, Buchseinfassung oder abgestuftem Mixed Border, sondern erinnerte uns eher an unsere kontinentalen Gärten. Wer auf der Reise nach Zeeland dabei war, weiß was ich meine. Hier wurde geschickt durch die geschwungene Anlage der Blumenbeete der Blick begrenzt, gleichzeitig aber auch neugierig darauf gemacht, was sich hinter der Biegung wohl verbergen würde.
Cistus x skanbergii - Silene fimbricata - Sambucus nigra "Black Beauty" und rechts oben: Physocarpus opulifolius "Diabolo"
Foto © 2007 Robert Schombacher
Bei den üblichen Mixed Borders wird ja die einzelne Pflanze danach ausgesucht, wie sie sich in die Struktur des Borders einfügt, damit der gewünschte optische Gesamteindruck entsteht. Merriments Garden hat es geschafft, daß die Beete nicht nur aus der Entfernung ihre Wirkung entfalten, nein – hier brachte man das Kunststück zuwege, aus vielen Raritäten eine eindrucksvolle Blumenlandschaft zu komponieren. Besonders praktisch war, daß sämtliche Pflanzen deutlich beschriftet waren, was einem den anschließenden Einkauf im Pflanzencenter erheblich erleichterte.
Nach diesem ersten Highlight waren wir gespannt auf DEN englischen Garten schlechthin: Sissinghurst ! Sissinghurst, eigentlich Sissinghurst Castle, geht auf ein mittelalterliches Landgut zurück, das im Jahre 1480 durch ein großes Gutshaus ersetzt wurde. Den Zusatz Castle erhielt Sissinghurst in den Jahren nach 1756, als es von der Regierung als Gefängnis für französische Kreigsgefangene genutzt wurde. 1930 erwarben Vita Sackville-West und ihr Ehemann Harold Nicolson das Anwesen und entwarfen den Garten so, wie er heute noch existiert. Von Weitem begrüßte uns schon das Haupthaus mit der Langen Bibliothek und den ersten blühenden Kletterrosen. Ich hatte bei der Planung der Reise ziemliche Bedenken, Sissinghurst in eine Reise aufzunehmen, die zur Zeit der Rhododendronblüte stattfindet, da sich der Ruf Sissinghursts doch mehr auf die Stauden- und Rosenpflanzungen gründet. Da aber die Natur gute 3 Wochen voraus war, blühten bereits die Rosen und auch viele Stauden. Bereits im Vorhof standen voll erblühte Kletterrosen, die sich malerisch an der Mauer hochwanden. Einige Teilnehmer erklommen gleich die vielen Stufen zur Aussichtsplattform des Turmes, um sich einen Überblick über die Anlage zu verschaffen. Auch konnte man in dem Turm einen Blick in das Arbeitszimmer von Vita Sackville-West werfen, aus dem sie einen hervorragenden Überblick auf die Anlage hatte. Dann gingen wir durch das Turmtor und wandten uns gleich nach rechts zum Rosengarten. Hier zogen sofort eine riesige, überreich blühende Rosa complicata und eine ebenso üppig blühende Rosa "Constance Spray" unsere Blicke auf sich. Auch die eine oder andere Rarität, wie z.B. eine Lupinus varius war zu bewundern.
Oben: Rosa californica Plena
Mitte: Geranium maderense
Unten: Piptanthus laburnifolius
Foto © 2007 Robert Schombacher
Allerdings – so überragend, wie die Anlage in der Gartenliteratur beschrieben wird, war sie dann auch wieder nicht. Ich hatte z.B. bei den Rosen eine passende Begleitflora erwartetet – doch außer teilweise sehr spärlich ausgefüllten Lücken war keinerlei verbindende und die Rosenpracht unterstützende Bepflanzung vorhanden. Es war ein schöner Rosengarten, keine Frage, aber auch nicht mehr. Durch den Bauerngarten kamen wir zum Grabengang, dessen Azaleenböschung noch in voller Blüte stand. Ein kleiner Abstecher in den Schattenbereich des Nußgartens ließen unsere heimischen Versuche mit Trillium als ziemlich jämmerlich aussehen: hier wuchsen bodendeckend Trillium, unüberschaubare Mengen, dazwischen immer wieder größere Inseln aus Paris polyphylla. Vorbei an einem reichblühenden Piptanthus laburnifolius gelangten wir in den "Weißen Garten". Nachdem wir vorher schon viele Lobeshymnen auf diesen von Vita Sackville-West entwickelten Gartentyp gelesen hatten, mußten wir in natura leider feststellen, daß die überbordenden Lobgesänge sich wohl auf die ruhmreiche Vergangenheit gründen, als auf die doch eher ernüchternde Gegenwart. Sicher war zur Zeit von Vita Sackville-West ein nur mit weiß blühenden Blumen bepflanzter Garten eine neue Idee. Auch ist es sicher interessant zu sehen, aus welchem Garten sich die weißen Gärten anderswo in Europa ableiten. Trotzdem sei die Bemerkung erlaubt, daß wir da schon Besseres gesehen haben. Ich erinnere hier nur mal an den "Weißen Garten" von Herrn Jacobse auf Zeeland, in dem sogar die darin umherlaufenden Zwerghühner weiß waren! Wer das gesehen hat, der wird verstehen was ich meine. Um die Wogen wieder etwas zu glätten: Sissinghurst war schön – keine Frage. Es gab auch jede Menge Pflanzen, die wir bei uns noch nicht gesehen haben und natürlich sollte man auf jeden Fall auch mal hier gewesen sein.
Unser nächstes Ziel war ein fast ebenso hoch gelobter Garten: Great Dixter, der Garten von Christopher Lloyd, einem der angesehensten Gartenschriftsteller. Die ältesten Gebäude von Great Dixter stammen aus dem 15. Jhdt.; 1910 wurde es von Nathaniel Lloyd, dem Vater von Christopher Lloyd, erworben. Dieser ließ es von dem bekannten Architekten Edwin Lutyens umbauen. Weithin bekannt ist die sogenannte Lutyens-Treppe, weil sie eine typische "Floral Staircase" aus der Arts-and-Crafts-Bewegung darstellt, in deren Ritzen verschiedenste Pflanzen gedeihen. Ob die derzeitige Bepflanzung mit Kakteen stilgerecht ist, sei einmal dahingestellt.
Great Dixter , Lutyens Treppe Foto © 2007 Robert Schombacher
Christopher Lloyd entwarf einen Garten mit verschiedenen Räumen. Bereits am Eingang zum Garten betrachteten wir staunend die Blumenwiese mit Knabenkräutern, Margeriten und rot leuchtenden Gladiolen ( Gladiolus palustris oder italicus ? ) . Der Senkgarten wurde bewundernd durchquert, um im exotischen Garten wieder staunend vor einem Blütenmeer zu stehen. Ein Durchgang durch die Hecke führte uns zu der Fläche mit den Topiaries, aus Eiben geformte Figuren. Ein Graben war wieder über und über mit blühenden Wildblumen ausgefüllt. Dann kam das Große Mixed Border. Hier konnte man sehen, wie man auch mit kräftigen Farben ein perfektes Mixed Border hinbekommt ! Gerade für diese unkonventionelle, aber effektvolle und gekonnte Verwendung kräftiger Farben ist Christopher Lloyd und Great Dixter berühmt.
Auch ein Blick hinter die Kulissen war sehr lohnend. Wer bislang beklagte, daß seine Wildgladiolen nicht richtig gedeihen wollen: in Great Dixter wird der Nachschub im Gemüsebeet herangezogen! Ja, Sie lesen richtig: da standen neben Kopfsalat und Spinat ganze Reihen von Gladiolus und blühten prächtig vor sich hin. Zum Abschluß besichtigten wir noch das Wohnhaus von Christopher Lloyd, der erst im Januar 2006 verstorben war. Man hat alles noch so belassen, wie es im Januar 2006 ausgesehen hat. Es war hochinteressant, in welchem Ambiente ein so angesehener und sicher nicht unvermögender Gartenschriftsteller gelebt hat. Hier war die Vorliebe der Engländer für alles Alte und Antike überdeutlich zu sehen. Hier schien seit Ritter Artus nur die in den Fugen der Bodendielen verlegte Stromleitung hinzugekommen zu sein.
Wollen wir hoffen, daß es der Great Dixter Charitable Trust schafft, das Haus und vor allem den Garten in seinem jetzigen Zustand zu erhalten.
Leider gab es auch bei dieser Reise wieder einen letzten Tag. Doch vor dem Abflug stand noch der berühmte Kew Garden auf unserem Programm. Das Wetter war auch nicht so gut drauf, aber immerhin regnete es nicht. Kew ist ja einer bekanntesten botanischen Gärten. Fast jeder kennt die riesigen viktorianischen Gewächshäuser, gefüllt mit den seltensten Gewächsen. Die Freunde der alpinen Flora strebten direkt dem Alpinum zu, Freunde der etwas höheren Flora bogen nach rechts zu den Paeonien und den Rosen. Die Paeonien blühten gerade überreich, leider nicht immer mit einem Namensschild versehen. Weiter ging es durch einen langen mit reichblühenden Rosen überwachsenen Pergolagang, bis man durch einen Mauerdurchbruch zum Alpinum gelangte. Hier blühte noch reichlich ein niederliegendes Verbascum ( V. "Letitia" ), weiter am Weg stand Tulipa sprengeri begleitet von bodendeckenden Campanula ( C. saxatilis ). Am Ende des Alpinums stand dann das nagelneue und sehr teure ( 1 Mio engl. Pfund ) Alpinhaus.
Alpinhaus in Kew mit Campanula incurva "Alba", Verbascum "Letitia" und Tulipa sprengeri
Foto © 2007 Robert Schombacher
Hochgelobt in den Medien wegen seiner ungewöhnlichen Architektur und der daraus resultierenden klimatischen Optimierung des Innenraumes, waren die Erwartungen an die vorzufindene Pflanzenwelt natürlich ziemlich hochgeschraubt worden. Wer das alte Alpinhaus noch gekannt hat, mit seinem großen Kühltisch in der Mitte für die arktische Flora, wird von der Anlage des neuen Alpinhauses jedoch enttäuscht sein. Der erste Eindruck war eher beengt, der Platz für ausgepflanzte Stauden schien wesentlich geringer geworden zu sein. Dieser Eindruck wurde noch durch die vielen in Töpfen herumstehenden Pflanzen verstärkt. Auch war der Zustand der Pflanzen keineswegs optimal, teilweise sogar in einem Zustand, der bei mir zu Hause direkt auf den Kompost geführt hätte. Da die Erinnerung an das in althergebrachter Bauweise errichtete Landscape House in Wisley noch recht frisch im Gedächtnis verfügbar war, fragte man sich schon, wofür man hier so viel Geld ausgegeben hatte. Nach dem Alpinhaus liefen wir einen großen Bogen durch das Rhododendron Dell, leider schon ziemlich verblüht, bis zur Themse, wo wir einen Blick durch die quer durch Kew verlaufende Blickachse auf die Pagode werfen konnten. Allerdings muß hier bald was unternommen werden, da die Blickachse langsam zuwächst. Wir bogen dann ab und wanderten durch das Pinetum und den Redwood Grove zum Mediterranean Garden, weiter zum King William´s Temple und von dort zurück zu unserem Ausgangspunkt. Wir erwarben im gut sortierten Shop noch ein paar letzte Erinnerungsstücke und Mitbringsel, bevor uns unser Bus nach Heathrow brachte. Wir verabschiedeten uns von unserem Fahrer Michael, der uns immer freundlich, ruhig und sicher zu unseren Zielen gebracht hatte. Hier mußten wir uns auch von unserer Reiseleiterin, Frau Schabbel-Mader, verabschieden, die uns absolut kompetent zu jedem Garten ausführlich informierte und uns – ganz wichtig – mit ihrer Ortskenntnis zielsicher jeden Garten finden ließ.
Der Rückflug war wieder unproblematisch, die meisten Teilnehmer sind ja schon alte Hasen; für die anderen hatten wir noch paar Rempler beim Durchfliegen einer Gewitterfront eingebaut. Richtig ungemütlich war es eigentlich nur draußen, die Anzeige meldete 59 Grad minus; doch landeten wir alle wohlbehalten wieder in München.
Ich hoffe, der Bericht weckt bei den einen schöne Erinnerungen an die eigene Fahrt nach England und ist für die anderen, die vielleicht selbst eine Reise dorthin planen, eine kleine Hilfe.
Fragen Sie mich oder diskutieren Sie mit mir; ich freue mich auf die Reaktionen im Forum der Homepage der GdS