Ins Land der Franken
Garten-Reise der Regionalgruppe Bonn-Köln vom 10. bis 12.09.2022
(Text und Fotos ©2022 Helga Panten)
Mit ein bisschen Skepsis starteten die Staudenfreunde der Regionalgruppe Bonn-Köln unter Führung von Helga Panten am 10.9.2022 zur Frankenreise. Wie würden die Gärten sich präsentieren nach der Hitze und Trockenheit des Sommers? Verbrannt, braun, trist? Die Sorgen waren unbegründet. Man sah den Pflanzen zwar noch an, dass sie gelitten hatten, aber der Regen kurz vorher hatte ganze Arbeit geleistet.
Erste Station der Reise war der Ebertspark in Ludwigshafen, durch den Harald Sauer mitreißend führte. Erstaunlich, mit welchem Gefühl für Pflanzen der mit der Karl-Förster-Medaille ausgezeichnete Gärtnermeister seinen Park gestaltet. Schon das Entree mit den duftig blau-weißen Einjahrsblumen-Pflanzungen vor dem Turmhaus zog die Gruppe in ihren Bann. Viele staunten, wie apart sich die sonst sehr eigenwilligen Honka-Dahlien in die Pflanzung einfügten. Dass Harald Sauer auch Minimalismus in der Pflanzenverwendung be-herrscht, ließ sich am Lesegarten erleben. Früher wuchsen hier Sommerblumen eher schlecht als recht. Heute „umfließt“ ein Teppich aus Hakonechloa rund geschnittenen Taxus-„Steine“. Zwei barocke Figuren ragen dazwischen auf. Allein der Kontrast zwischen den beiden Pflanzenarten sowie Licht und Schatten lassen diesen Parkteil lebendig wirken. Pflanzungen frei von Giersch zu halten, bindet unglaublich viele Kräfte. Sauer zeigte tiefer im Park, dass es auch anders geht. Er setzte Starkwüchsiges dagegen wie Aralien, Deschampsia und Platanenblättrige Ramie (Boehmeria platanifolia). Sie verwandeln den Giersch zum sauberen Bodendecker, der ihre Stängel und Horste mit seinem frischen Grün umspielt. Ähnlich unkompliziert geht er mit den Schattenbeeten am Rande der großen Wiese im Südosten des Parks um. Herbstanemonen, Farne und Gräser dominieren hier das Bild. Giersch liegt ihnen als frisch-grüner Saum brav zu Füßen. Wichtig sind sauber gemähter Rasen und akkurate Kanten an der Grenze zum Giersch, die Gepflegtheit signalisieren, erklärte Sauer, der mit Fragen bestürmt wurde. So blieb kaum noch Zeit für den nord-östlichen Parkteil mit dem Kräutergarten und dem großen Quellgarten, in dem immer wieder neue Staudenkombinationen zum Schauen und Fragen verlockten. Unbedingt wieder kommen, war die einhellige Meinung und dann auch Sauers Pflanzungen auf dem Ludwigshafener Hauptfriedhof und auf der BUGA Mannheim 23 anschauen.
Als nächste Station wartete der Hermannshof in Weinheim auf die Staudenfreunde. Die meisten kannten ihn bereits, aber die Veränderungen, die der Park im Laufe der Jahre durchlaufen hat, machen den Besuch immer wieder spannend. Schließlich ist der Hermannshof Experimentierfeld für Staudenpflanzungen, die sich dynamisch miteinander entwickeln. Gegossen wurde auch während des heißen Sommers (fast) nicht, erklärte Bettina Meier, die die Gruppe führte. Umso überraschender die Vitalität der Salvien, Rudbeckien, Helianthus und Gräser, zwischen denen sich das spätere Schauspiel der Astern vorbereitete. Ein Besuch der Gärtnerei Eidmann in Groß-Umstadt-Semd beschloss den Tag. Herzlich aufgenommen und geführt durch das Ehepaar Eidmann durchwanderte die Gruppe die Gärtnerei mit ihren zahllosen Spezialitäten. Die vielen Schaupflanzungen u. a. für Steingärten, für Standorte mit extremer Trockenheit und für die Anlage eines Moores demonstrierten, wie sich noch Unbekanntes entwickelt und wie es sich eindrucksvoll verwenden lässt. Die anschließende Zeit zum Kaufen war viel zu kurz, um alle entstandenen Wünsche erfüllen zu können. Danach bot das Hotel Mainpromenade in Karlstadt behagliches Quartier für die beiden Nächte der Reise.
Am nächsten Tag ging es nach Knetzgau zum 1.100 qm großen Garten des Ehepaars Pecoraro-Schneider. Er entstand aus einem bäuerlichen Anwesen von 1898 und wurde über Jahre hinweg angepasst an die Bedürfnisse der Bewohner. Überraschend gleich zum Auftakt des Besuches der Kiesgarten, in den sich die Beton-Auffahrt des alten Hofes verwandelt hat. Unmittelbar anschließend im Schatten des Hauses ein kühler Hostagarten, der die Hitze der Fränkischen Trockenplatte erträglicher gestaltet. Nicht nur hier waren Hitze und Trockenheit der Region beherrschendes Thema. Im Garten hinterm Haus erinnern noch heute die im Raster gepflanzten Obstbäume an den bäuerlichen Ursprung des Gartens. Passend dazu entstand im Zentrum des Gartens ein Wegekreuz mit Mittelrondell, an das sich vier Hochbeete angliedern. Gemüse, Kräuter geben hier den Ton an. Dem Rhythmus der Obstbäume folgt die anschließende formale Wegeführung, die in den Randbereichen zu schwingen beginnt. So entstehen Räume, die sich unterschiedlichsten Pflanzenthemen widmen.
Mit ihren 11.000 qm ist „Die Staudengärtnerei“ von Til Hofmann und Fine Molz in Rödelsee ein riesiger Fundus an außergewöhnlichen Stauden, die sich in der sanft gehügelten Rödelseer Landschaft wunderbar präsentierten. Til Hofmann führte uns durch seine Schaupflanzungen, die deutlich machten, welches Farbenspiel der Spätsommer trotz Hitze und Trockenheit bieten kann. Gräser, die roten Früchte und Stängel des Süßholz (Glycyrrhiza yunannensis), die lockeren Büsche von Rudbeckia triloba, frühe Astern, das alles fügte sich zu einem lebendigen Bild. Leider (zum Glück?) bremste der Sonntag die Kauflust, in die die Gruppe sonst sicher verfallen wäre. Danach sorgte ein Imbiss natürlich mit einem Schluck Rödelseer Wein in der Vinfothek im Rödelseer Schloß Crailsheim für neue Kräfte.
Die Zeit langte leider nur für eine Stippvisite bei den Grabengärten im benachbarten Mainbernheim. Das malerische Städtchen ist noch immer von einer Stadtmauer umgeben. Vor ihr zog sich früher ein Graben entlang, der schon lange verlandet ist und von den Bürgern der Stadt für Obst- und Gemüseanbau genutzt wurde. Die günstigen Supermarktangebote bereiteten dem ein Ende. Die Flächen verwilderten. Anfang 2000 entstand die Idee, diese historischen Gärten wieder zum Leben zu erwecken. 2014 bis 2016 wurde unter Bürgerbeteiligung geplant. Heute liegt vor der Stadtmauer wieder ein Gartensaum voller Gemüse, Kräuter und Blumen, auf die wir einen kleinen Blick werfen konnten.
Auf einer Terrasse oberhalb des Mains in Frickenhausen liegt der 2000 qm große, parkähnliche Garten von Anita Rau und Ulrich Seifert, die uns sehr herzlich empfingen. Den charmanten, weitgehend schattig-kühlen Garten säumt ein Kranz hoher Bäume rund um eine großzügige Rasenfläche. Roseninseln, Hortensien und Stauden wie Silberkerzen, Kerzenknöterich und Phlox setzen farbige Akzente. Perfekt geschnittener Buchsbaum formt Kugeln, die Polster einer Bank, eine sich verknäulende Schlange. Etliches, was perfekt geplant wirkt, hat sich eher zufällig entwickelt, erklärte Anita Rau, die uns mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen verwöhnte – Genuß für alle Sinne und Entspannung pur!
Nach mühevoller Fahrt um stadtfestlich gesperrte Straßen herum setzte der Garten von Gerlinde Mußer in Obereisenheim spannenden Kontrast zur grünen Oase von Anita Rau. Gerlinde Mußer liebt Pflanzen und kann nicht genug davon bekommen. Entsprechend quillt der 1.700 qm große Garten vor Pflanzen über. Schlinger, Rosen, Sommerblumen, ihre Salvien-Sammlung, 40 Tomaten-Sorten, Bohnen, Quitte und Bienenbaum (Tetradium), alles verbindet sich zu einem lebendigen Miteinander, das dem Motto folgt: „Am wichtigsten ist es, dass mein Garten mir gefällt“. Zusammen mit einem weiteren Gartenstück auf der anderen Mainseite dient der Garten den Mußers zur Selbstversorgung. Gemüse, Obst, Wein, Kartoffeln, selbstgebackenes Brot, selbst Geschlachtetes machen sie weitgehend autark. Der Vorratskeller, der die Staudenfreunde staunen ließ, beweist es. Ein sehr persönliches Gepräge bekommt der Garten durch aus unregelmäßigem Holz gebaute Rankgerüste und Weidenruten-Elemente.
Am nächsten Morgen ging es nach Hergershauser/ Babenhausen, das der Verein Herigar e.V. mehr und mehr in ein Gartendorf verwandelt. Kernelement ist der Sinnesgarten, der an die ehemalige Schule anschließt und von Maren Gatzemeiner, die uns kundig führte, und Matthias Brendle initiiert wurde. Der Begegnung und dem gemeinsamen Feiern dient eine Platzfläche mit Rotblühender Kastanie im Zentrum, mit Laube im Schnittpunkt zweier Rosenbögen sowie den Hochbeeten mit Kräutern und Duftpflanzen. Durch einen Heckentunnel spaziert man in einen früher ungeliebten Zwickel entlang der Durchgangsstraße. Er hat sich in einen Naturraum und eine Oase der Ruhe verwandelt. Ein Rasenweg erschließt die Wiese voller Insektenleben. Rings herum eine frei wachsende Pflanzung aus Wild- und Blütengehölzen, die Vögeln Nahrung und Lebensraum bieten und zur Straße hin abschirmen. Vom Sinnesgarten ging es hinüber in den 600 qm großen Privatgarten von Maren Gat-zemeier und Matthias Brendle. Intensiv genutzt mit Kübelpflanzen wie Feigen und Oleander, mit Birnenspalier und farblichen Highlights wie blauen Lobelien mit rosa Rosen spiegelt er die Freude der Gartenbesitzer an Pflanzen wider. Spürbar auch das Staunen und Gewähren-Lassen von Dingen, die sich unbeeinflusst entwickeln: Wenn etwa die roten Spaltgriffel (Schizostylis) in der kleinen Feuchtwiese am kleinen Teich dauerhaft gedeihen oder Knabenkräuter sich von selbst ansiedeln.
Mit großer Spannung erwartet wurde der Landschaftsgarten von Ingmar Rega in Wehrheim-Obernhain. Wer war das, der sich da seit 2015 einen „königlichen“ Garten auf kahler Ackerfläche angelegt hatte? Fasziniert erlebten die Staudenfreunde einen kenntnisreichen Garten-und Pflanzenfreund, der mit viel Gespür für Situation und Pflanzenansprüche die 7.700 qm große Fläche gestaltet hatte. Die Architektur des Hauses greift der „barocke“ Heckengarten mit dem Knotengarten im Zentrum auf. Über eine Treppenanlage geht es in die Allee aus schlank kegelförmig geschnittenem Taxus, die über die stetig abfallende Gartenfläche hinweg den Ausblick in den Taunus inszeniert und die weite Rasenfläche durchschneidet. Rund um den Rasen herum reiht sich der Kranz der Themengärten wie Felsengarten, Präriestauden, Heidegarten, Feuchtbiotop, Fernost oder Wald. Das alles fügte sich harmonisch ineinander. Entsprechend rasch waren die Staudenfreunde in intensivem Austausch mit Rega über Erfahrungen mit Arten, Sorten, Ansprüchen und Pflegetipps.
Als letzter Garten auf der Reise schloss sich der von Rita und Norbert Conradi in Kronberg im Taunus an. Auch er zählt zu den schönsten Gärten im Frankfurter Raum mit einer Größe von insgesamt 7000 qm. 4000 qm davon sind als verschieden-thematische Gartenbereiche mit Rosen und Stauden gestaltet. Rasen schafft fließende Übergänge, bettet Stauden- und Gehölzinseln ein. Eine über 100 Jahre alte Scheune und ein englisches Gewächshaus verleihen dem Garten mit seinem alten Baumbestand eine nostalgische Atmosphäre, die durch behutsam gesetzte Dekorationen verstärkt wird. Nach dem „aufregenden“ Rega-Garten ein Ort der Ruhe und Entspannung. Als krönender Abschluss der Reise verwöhnten Rita und Norbert Conradi die Gruppe mit selbst gebackenem Kuchen, Kaffee und einem Gläschen Sekt. Vollgestopft mit Eindrücken und dankbar, dass die Gartenbesitzer uns den Einblick in ihre grünen Refugien erlaubt hatten, ging es zurück nach Bonn und Köln.